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Foto: picture alliance / Zoonar / Antonio Sáez Caro

Ich bin nicht binär

Wie ist es, transgender zu sein? Jonah erzählt von seinem Outing und seinen Erfahrungen mit Geschlechterrollen und Vorurteilen, Schule und Eltern.

Mira (17)

Jonah Heusinger ist 15 Jahre alt, transgender und lebt in Hagen. Er wurde als Mädchen geboren, seinen alten Namen will er nicht nennen. Mit Mira sprach er für die Qrage über seine Erfahrungen und Gefühle. Das Interview wurde über Sprachnachrichten geführt.

 

Wann und wie hast du bemerkt, dass du transgender bist?

Jonah: Anzeichen habe ich schon relativ früh bemerkt, aber richtig realisiert, dass ich trans bin, habe ich erst spät. Schon in der Grundschule war ich immer lieber mit den Jungs als mit den Mädchen gespielt. Ich habe mich sogar geprügelt und viel mit Autos gespielt, habe also Sachen gemacht, die man eher Jungs zuordnet. Eigentlich lehne ich Geschlechterrollen ab, aber bei mir ging es schon noch eher in die Richtung männlich. Mädchen haben bei mir immer Beschützerinstinkte geweckt, und mit 12 Jahren habe ich mich das erste Mal so richtig in ein Mädchen verliebt. Ich kann mich aber auch in Jungs verlieben und meine erste Beziehung war auch ein Junge. Der aber hat mir verboten, mir meine Haare abzuschneiden. Erst nach unserer Trennung habe ich mich als genderqueer, genauer als nicht binär geoutet.

Nicht binär bedeutet, sich keinem Geschlecht zugehörig zu fühlen?

Richtig.

Gab es einen exakten Zeitpunkt, an dem du wusstest, dass du Transgender bist?

Jonah: Ich denke, es war ein Prozess. Vielleicht hat mir die Trennung auch geholfen, alles viel besser zu verarbeiten. Mein Ex war ein cis-hetero, der genau wusste, dass er ein Mann ist und auf Frauen steht. Deshalb habe ich immer versucht, schön feminin zu wirken. Es war die große Liebe und ich war erst 13, da macht man halt nicht ganz so sein eigenes Ding. Nachdem wir uns getrennt hatten, kamen dann auch meine Haare ab.

Wann hast du dich als trans geoutet und welche Gründe gab es für dich, das zu tun?

Geoutet habe ich mich, da war ich gerade 14. Bis dahin habe ich es verheimlicht, weil ich dachte, meine Mutter ist sowieso dagegen. Deshalb habe ich mich auch erst als nicht binär geoutet, um das zu kaschieren und dass meine Mutter nicht sauer wird. Wie in der Situation beim Jugendamt, als ich mich bei der Betreuerin danach erkundigt habe, ob und wie ich Testosteron bekommen könnte. Da saß meine Mutter daneben und war natürlich überrascht. Im ersten Moment hat sie das nicht supportet, aber inzwischen hat sich das geändert.

Wie erging es dir beim Jugendamt? Waren sie dort informiert über Transsexualität und wie sie mit dir umgehen sollten?

Kommt natürlich darauf an, zu welchem Jugendamt man geht, aber ich muss sagen, dass die Betreuer beim Kompass Hagen sehr kompetent sind. Meine Sozialarbeiterin hat wirklich alles getan, was sie konnte.

Du nimmst jetzt Testosteron. Denkst du auch über eine geschlechtsangleichende Operation nach?

Tatsächlich fühle ich mich umso wohler, je männlicher mein Körper wird. Aber natürlich ist es eine harte Entscheidung, denn jede OP ist gefährlich. Aber das riskiere ich lieber, als dass ich mein Leben lang in einem weiblichen Körper stecken muss. Denn es ist mein Körper und damit auch meine Sache, was ich damit tue.

Wirst du manchmal gemobbt deswegen? Und wie reagierst du darauf?

Anfangs habe ich empfindlich und impulsiv darauf reagiert, mittlerweile hängt es sehr von meiner Laune ab. Aber meistens ignoriere ich solche Sprüche oder versuche, Fragen sachlich zu beantworten. Wenn ich immer dieselben Fragen gestellt bekomme, kann ich schon mal giftig werden. Ich versuche keine Vorurteile zu haben und ich würde nie Menschen ausgrenzen. Aber mir ist schon aufgefallen, dass der Großteil von denen, die mich blöd anmachen, Moslems sind. Ich will damit nicht sagen, dass Moslems oder ihre Religion schlecht sind. Ich glaube, das liegt am Unwissen,  wenn man über Dinge nicht Bescheid weiß, fängt man schnell an, sie zu hassen.

Offensichtlich haben ja nicht nur Muslime Schwierigkeiten, mit dir und deiner Sexualität angemessen umzugehen. Glaubst Du, dass man mit Aufklärung das Problem lösen könnte?

Natürlich gibt es auch Menschen, die bewusst ignorieren, dass es Leute wie mich gibt oder die glauben, nicht-binär zu sein sei wie eine Krankheit. Die halten jemanden wie mich für behindert, und deswegen glaube ich, dass man mit Aufklärung, am besten schon in der Schule, viel erreichen könnte. Man könnte vielleicht die Leute einfach mal zum CSD schicken. Die mussten in dieses Jahr leider ausfallen, aber ich hoffe, dass sie nächstes Jahr wieder stattfinden können und dass wir wieder zeigen können, dass es Menschen wie uns gibt. Das ist unglaublich wichtig.

Wie hat dein Umfeld auf dein Coming-out reagiert?

Meine Mutter hat das erstmal überhaupt nicht verstanden und hat mich für bekloppt gehalten. Wir sind auch schon oft vor Psychologen, Therapeuten und auch in der Klinik deswegen aneinandergeraten. Sie ist der festen Überzeugung, dass ich einfach nur ein Trauma von meinem Exfreund weghabe. Freunde, die mich schon länger kennen, misgendern mich zwar häufig, aber es gibt auch Leute, die da total drauf achten wie beispielsweise mein bester Freund. Leider gibt es auch in unserer Generation noch sehr transphobe Menschen. Ich kenne jemanden, der sagt immer noch: „Für mich seid ihr Frauen, weil ihr als Frauen geboren seid.“ Ich finde es sehr schade, dass Leute da so ignorant sind.

Kann es sein, dass sich deine Mutter Sorgen um dich macht, dass du gemobbt wirst?

Darüber habe ich mir auch schon Gedanken gemacht. Sie hat das auch schon öfters gesagt. Aber ich musste mir halt auch immer wieder anhören: „Du bist und bleibst unser kleines Mädchen!“ Meine Oma hat auch schon gesagt: „Kannst du nicht einfach normal bleiben? Dann wirst du auch nicht so viel gemobbt.“ Aber soll ich das alles in mich hineinfressen?  Alles geheim zu halten und weiter diesen Stress zu ertragen, als Mädchen angesehen zu werden, und sich selber nicht zu akzeptieren, das will ich nicht mehr. Ich lebe mich aus – und wenn jemand ein Problem damit hat, dann ist das sein Pech.

Wirst du manchmal in der Schule anders behandelt als deine Mitschüler und würdest diese Erfahrungen als Mobbing bezeichnen?

Durch Lehrer tatsächlich nicht. Bis jetzt kam es noch nicht vor, dass sich ein Lehrer mir gegenüber transphob verhalten oder geäußert hat. Mein Klassenlehrer hat auch schon öfters darauf hingewiesen, dass mein Pronomen „er“ ist und dass ich ein Junge bin.

Was hat sich konkret in der Schule verändert, seit du dich geoutet hast?

Ich schreibe auf meine Klassenarbeiten und Tests den Namen, den ich aktuell habe und nicht den, den ich vorher hatte. Das ist für die Lehrer vollkommen okay, damit sind sie einverstanden. Ansonsten gab es nicht so viele Veränderungen, außer, dass die Lehrer, wenn sie über mich sprechen, „er“ benutzen und nicht „sie“ und mich mit „Jonah“ ansprechen. Dass meine Schule mir so viel Respekt entgegen bringt, das hat mich positiv überrascht.

Was sollte sich deiner Meinung nach generell im Umgang mit Transsexualität verändern?

Worüber ich mich wirklich krass freuen würde, wäre, wenn Personenstandsänderungen viel schneller durchgehen würden.

Was ist das, eine Personenstandsänderung?

Das ist, wenn auf deinen Papieren Daten zu Personen wie beispielsweise Name und Geschlecht verändert werden. Dort steht dann zum Beispiel nicht mehr „Frau“, sondern „Herr“. Den bei Arztbesuchen und formellen Anlässen wird du immer noch dazu gezwungen, deinen Deadname zu benutzen. Du wirst dazu gezwungen, dein biologisches Geschlecht anzugeben und das ist dann sehr bedrückend. Viele Transsexuelle nehmen sich das Leben, weil sie nicht unterstützt werden. So geht es mir nicht, aber ich würde mir wünschen, dass normale Hetero-Frauen auch Transmänner als Männer sehen würden, selbst wenn die OP noch nicht gemacht wurde. Meine Freundin ist da zum Glück anders, die sagt nicht: „Du hast ja gar keinen Schwanz.“

Gibt es noch etwas, was du den Lesern gerne sagen würdest?

Gerne. Egal, was man ist, ob lesbisch, bi, trans, nicht-binär oder sonst irgendetwas – jeder sollte akzeptieren und tolerieren, dass jeder Mensch vielleicht ein bisschen anders ist oder vielleicht auch nicht nach seinem Pronomen aussieht.

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