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Gedenkfeier in Hanau
Foto: picture alliance/dpa | Andreas Arnold.

Es muss sich etwas ändern!

Schüler*innen einer Frankfurter Schule haben nach dem Schock von Hanau eine Anti-Rassismus-AG gegründet. Ein Jahr nach dem Mord an George Floyd zieht ein AG-Mitglied Bilanz.

Reisel (14)

Das Attentat in Hanau im Februar 2020, der Mord an George Floyd in Minneapolis, der sich am 25. Mai zum ersten Mal jährt – sie haben uns betroffen gemacht. Aber es sind keine Einzelfälle mehr. Rassistische Taten und Anschläge häufen sich, hier bei uns in Deutschland und auf der ganzen Welt. Und das sind nur die Vorfälle, die Schlagzeilen machen. Der alltägliche Rassismus ist viel unauffälliger, er geht oft an vielen von uns vorbei.

Das waren die Gedanken, die uns durch den Kopf gingen, als wir, einige Schüler*innen und Lehrer*innen der Integrierten Gesamtschule Nordend in Frankfurt am Main uns zusammenfanden, um eine AG zu gründen, die über Rassismus aufklären sollte. Fast 20 Menschen sind wir, fast alle Schüler*innen der neunten Klasse, Mädchen und Jungen, manche mit Migrationshintergrund, andere nicht. Niemand von uns hat direkte Verbindungen zu einem der neun Menschen mit Migrationshintergrund, die in Hanau starben, aber das Attentat hat uns tief berührt. Und das sicherlich auch, weil Hanau keine halbe Stunde mit dem Zug entfernt ist von Frankfurt.

Ob betroffen oder nicht, wir kämpfen alle gemeinsam!

Manche aus unserer Gruppe sind selbst von Rassismus betroffen. Sie wissen, wie es ist, diesen am eigenen Leib erfahren zu müssen. Sie mussten lernen, wie man damit umgeht. Ich und andere sind nicht direkt von Rassismus betroffen, und ich bezweifele, dass wir diese Erfahrung jemals wirklich nachvollziehen können. Aber durch die Erzählungen der anderen Schüler*innen konnten wir dazu lernen. Ich muss zugeben, dass mir persönlich nicht bewusst war, wie alltäglich Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe und Herkunft für manche Menschen ist.

Doch ob wir nun selbst von Rassismus betroffen sind oder nicht, welche Hautfarbe wir haben, wo wir herkommen oder welcher Kultur wir angehören,  das alles spielt keine Rolle bei unserer Zusammenarbeit. Wir kämpfen für das Gleiche, wir kämpfen gemeinsam! Wir möchten nicht mehr wegschauen, wenn es um Rassismus geht, und wir wollen auch anderen die Augen öffnen für dieses Thema, über das immer noch viel zu wenig gesprochen wird. Das muss sich ändern!

Aufgrund der Trauer, der Fassungslosigkeit und bestimmt auch der Wut, die wir nach dem Anschlag in Hanau im Februar 2020 gespürt haben, wollten wir als erste Aktion eine Info-Veranstaltung, das sogenannte „Bornheimer Dach“, organisieren, um noch einmal an einem Abend in unserer Schule mit allen Interessierten über die Morde zu sprechen. Doch leider hat uns auch hier Covid-19 einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir mussten die Veranstaltung absagen, der Frust war groß.

Wir haben Räume geschaffen, um über das Thema Rassismus zu sprechen.

Dennoch wollten wir nicht untätig bleiben. Einige Schüler*innen unserer AG haben Texte zum Thema Rassismus geschrieben, in denen sie ihre Gefühle zum Attentat in Hanau und zu George Floyd, der in den USA Opfer von Polizeigewalt wurde, ebenso teilten wie ihre eigenen Erfahrungen mit Rassismus. Um an unserer Schule an die Opfer von Hanau zu erinnern, nahmen wir Audio-Dateien auf, in denen wir Auszüge aus unseren selbstgeschriebenen Texten vorlasen. Wir konnten außerdem erreichen, dass am 19.11.2020 – neun Monate nach dem Anschlag – in allen Klassen eine Schweigeminute zum Gedenken an die Opfer abgehalten wurde. Mit solchen und weiteren Aktionen an unserer Schule wollen wir uns auch in der Zukunft weiter gegen Rassismus engagieren.

Nicht nur von Lehrer*innen, auch von anderen Schüler*innen gab es viele positive Reaktionen auf unsere Initiative und Aktionen. Lehrer*innen gaben uns Rückmeldung, wie sie sich die Audio-Files mit ihrer Klasse angehört haben und so Raum geschaffen wurde, über das Thema zu sprechen, und wie wichtig sie es fänden, dass wir Initiative ergreifen. Schüler*innen sagten uns, wie sehr sie die Texte zum Nachdenken angeregt hätten. Das war genau das, was wir gehofft hatten zu erreichen.

Trotzdem stellte ich mir die Frage, warum erst so etwas Schreckliches wie in Hanau passieren musste, damit wir zusammenkommen und etwas unternehmen, obwohl Rassismus lange schon Alltag in unserer Gesellschaft ist. Dabei gab es an unserer Schule, die Mitglied im Netzwerk „Schule der Vielfalt“ ist, schon zuvor immer wieder Initiativen, in Workshops und Gesprächen im Klassenverband über Rassismus zu sprechen und darüber aufzuklären. Aber diese Initiativen gingen meist von Lehrer*innen aus. Unsere AG haben wir erst nach dem Schock, den Hanau ausgelöst hat, gegründet. Warum?

Auch wenn man Rassismus nicht immer sieht, ist er immer da.

Schließlich war Hanau nicht der erste Fall, in dem der Rassismus solche grausamen Folgen hatte. Wie kann es sein, dass erst Menschen sterben müssen, damit wir Initiative ergreifen? Ich habe lange nachgedacht über diese Frage, aber ich habe keine gute Antwort gefunden. Sicherlich haben uns, die wir in Frankfurt leben, die Morde von Hanau noch einmal tiefer berührt, weil sie so nah waren. Sicherlich ist, wer wie ich selbst nicht betroffen ist von Rassismus, sich nicht immer bewusst, wie alltäglich Rassismus ist. Und sicherlich sollten keine Menschen sterben müssen, damit die Mehrheitsgesellschaft die Augen öffnet. Genau das ist eines der Ziele unserer AG: Auch wenn man Rassismus nicht immer sieht, ist er doch immer da. Das muss sich jeder bewusst machen.

Denn: Rassismus geht jeden etwas an, jeden Einzelnen. Der Kampf gegen Diskriminierung ist ein Kampf, den wir alle gemeinsam führen müssen. Wir Schüler*innen von der IGS Nordend wollen nicht weiter die Augen verschließen vor Rassismus und Intoleranz. Wir wollen nicht, dass Rassismus weiterhin insgeheim akzeptiert wird in der Gesellschaft. Wir wollen aus der Fassungslosigkeit und dem Schock, der rassistisch motivierten Anschlägen und Attentaten folgt, endlich etwas Positives machen. Wir wollen Menschen aufklären, Verständnis schaffen und nicht mehr länger schweigen.

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