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Foto: picture alliance / ZB | Sascha Steinach

Ey, mobb mich nicht!

Der Begriff „Mobbing“ hat eine seltsame Karriere in der Umgangssprache gemacht und wird heute bisweilen inflationär benutzt. Unsere Autor*in hat Angst vor zu viel Blabla.

Anastasia (16)

Jemand rempelt dich auf dem Bahnsteig an und kommt dir dann noch blöde? Ey, der hat mich voll gemobbt! Es gibt keine Körnerlaugenstangen in der Cafeteria mehr? Davon fühl ich mich jetzt aber gemobbt. Nils bittet, mit den doofen Sprüchen über seine Nicht-Marken-Sneaker aufzuhören? Boah, ich werd hier schon gemobbt, nur weil ich Qualitätsunterschiede anspreche. Emin möchte, dass man ihm sagt, was für ein Problem du und deine Kumpels denn die ganze Zeit mit ihm haben, er hat euch doch nichts getan? Ey, der Emin soll mal aufhören, mich zu mobben, Alder.

Es scheint, als wolle das ganze Leben eine*n wegmobben. Schlimm, schlimm, schlimm. Doch ist das wirklich so? Wer mobbt hier eigentlich wen?

Vielleicht bedeutet „fetzig“ in ein paar Jahren „komplett besoffen“ – wer weiß?

Schwer zu sagen. Die Bedeutung eines Begriffs, der es in die Umgangssprache geschafft hat, ist fließend. Niemand kann sagen, ob nicht vielleicht „fetzig“ in ein paar Jahren so viel wie „komplett besoffen“ bedeuten wird. Das ist auch bis auf ein paar Missverständnisse zwischen den Generationen häufig nicht weiter wild. Wobei „wild“ heute ja auch nochmal was ganz anderes heißt. Es kann sich vor allem nicht einfach irgendjemand da mal ein wenig länger Gedanken machen und dann daherkommen und meinen: „Dazu darfst du Mobbing sagen, dazu nicht!“

Das Wort „Mobbing“ beschreibt das regelmäßige, häufig systematische und in einer situativ überlegenen Gruppe akzeptierte Ausgrenzen, Lächerlichmachen und Herabwürdigen einer anderen Person oder Gruppe, das bis zu körperlichen Übergriffen gehen kann. Was immer gleich bleibt, ist die gezielte Ausgrenzung. Mal, um das eigene Selbstbild zu stärken. Mal, um von sich selbst abzulenken, weil man Angst hat, selbst zur nächsten Zielscheibe erklärt zu werden. Was auch immer gleich ist: Für die Betroffenen ist Mobbing eine schlimme Erfahrung. Aber was das mit einer verspäteten U-Bahn zu tun hat, bleibt wohl weiter in dichten Nebel gehüllt. Wir halten fest: Es besteht ein großer Unterschied zwischen der Bedeutung des Worts „Mobbing“ an sich und dem umgangssprachlich genutzten Begriff.

Der Begriff wird mittlerweile ziemlich inflationär verwendet. Beim Wort „gemobbt“ denken viel zu viele an kleine Unannehmlichkeiten statt an eine schmerzhafte Ausgrenzung. Ein bisschen wie die alte Fabel von dem Jungen, der immer „Wolf!“ gerufen hat. Nur dass es dieses Mal sehr viele pubertierende Menschen sind, die sich alle gegenseitig „Wolf!“ zurufen. Und die Lehrkräfte kriegen‘s auch mit und hören dann vielleicht auch einmal zu oft weg.

Eine Lösung wäre vielleicht, wirklich auch bei jedem noch so kleinen Vorfall, der mit viel frühpubertärer Überzeugung als „Mobbing“ deklariert wird, genau hinzuhören. Es ernst zu nehmen. Aufrichtig nachzubohren.

„Boah Ahmed, was hast du gegen meine Jacke? Hör auf mich zu mobben, Digga! Haha.“

„Oje, Moment mal, Linus, wer mobbt dich? Was ist denn los?“

„Äh, nichts, Frau Bouzayani. War nur‘n Witz.“

„Aber du sagtest doch, Ahmed mobbt dich. Das ist auf keinen Fall witzig, gemobbt werden darf hier immer noch keiner.“

„Ach so, äh, nee, alles gut, er hat echt nur‘n Witz gemacht, sorry.“

Und so oder so ähnlich merkt Linus vielleicht, dass „gemobbt werden“ womöglich doch irgendwie eine große Sache ist.

Sprache ist im Wandel, da geht der wahre Linguistik-Shit ab

Sprache ist stets im Wandel. Dieser Wandel muss allerdings nicht nur passiv und unbewusst geschehen. Im Gegenteil: Man sollte sich diesen Wandel bewusst machen. Und das ist auch nicht nur etwas für linksliberale Akademiker*innen und ihre Kinder, sondern für alle. Ich entscheide mich ja auch bewusst, im Gespräch mit meinen Freund*innen „belastend“ oder „lost“ statt „mies“ zu sagen. Weil es witzig ist.

Sprache betrifft uns alle, wir alle erschaffen sie jeden Tag neu, und gerade in weniger elitären/privilegierten Kreisen geht der wahre Linguistik-Shit ab. (Ok, der Satz war vielleicht schon bisschen cringe. Aber trotzdem.)

Doch die Auswirkungen einer anderen Sprechweise können riesig sein. Oft ist vielen gar nicht bewusst, wie stark sie sich von der Wortwahl anderer beeinflussen lassen, und dieser Einfluss und das mangelnde Bewusstsein können oft eine ätzende Kombo abgeben.

Mobbing. Das klingt jetzt, inzwischen, mittlerweile, heutzutage vielleicht so wischi-waschi. Irgendwas, das wir uns alle schonmal in Workshops anhören mussten, von dem wir mal gehört haben, oder das wir selbst mal erlebt haben, aber ach, das ist schon so lange her.

Wörter haben Auswirkungen, Sprache hat Macht

Genau in diesem Gedankengang liegt aber der Dreh- und Angelpunkt der ganzen Geschichte. Wörter haben immer große Auswirkungen. Ob wir wollen oder nicht. Sprache bildet das Band, den größten Teil der Kommunikation und Verbindungen, die wir zwischen unsere Gehirne spannen. Und wir wählen zu einem gewissen Grad immer aus, welche Auswirkungen wir in Kauf nehmen, ignorieren, verhindern oder bezwecken wollen. Ob wir wollen oder nicht. Auch wenn wir nicht immer sofort unsere Reaktionen und Entscheidungen kontrollieren können. Das müssen wir auch gar nicht.

Dennoch sollten wir die Macht unserer Sprache nutzen. Nicht nur für uns, unsere Freund*innen oder die Gesellschaft als Ganzes, sondern auch für die Sprache selbst. For the greater good, so to sprech. Damit weder unsere Sprache selbst noch ihre Bedeutungen die Menschen voneinander trennen. Die Sprache ist ja schließlich genau fürs Gegenteil gemacht, für Verständigung nämlich. Um Menschen zusammenzubringen.

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