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Schön wie Barbie
Foto: John Angelillo/UPI Photo via Newscom picture alliance

Ich wollte so weiß und so schön wie Barbie sein

Rassismus ist ein großes Thema, das aber oft nur abstrakt diskutiert wird. Unsere Autorin Miriam erzählt aus eigener Erfahrung, wie der Rassismus schon Kinder in ihrem Alltag belastet.

Miriam (14)

Als ich noch klein war, habe ich nie bemerkt, dass ich „anders“ bin. Ich spielte und malte genauso wie alle anderen Kinder in meinem Kindergarten. Ich war Miriam und ich konnte einfach „nur“ Miriam sein. Ich habe mit meinen Freunden Barbie gespielt, und wir haben Sandkuchen aus Sand und Wasser gemacht. Miriam war ein abenteuerlustiger Mensch und sie liebte es, mit ihrer Mutter zu backen und zu kochen. Miriam war sehr glücklich.

Ich war fünf Jahre alt, als ich zum ersten Mal bemerkte, dass ich anders  war. Eine alte Frau griff mich und meine Mutter rassistisch an. Wir sollten „ihr“ Land verlassen, weil „wir“ hier nichts zu suchen hätten, sagte sie – und benutzte das N-Wort. Dieses Ereignis war traumatisierend und hat mich sehr geprägt. Ich fühlte mich zum ersten Mal anders . Seitdem habe ich immer wieder das Gefühl, als würde ich nicht hierher gehören, und war immer sehr sensibel, wenn es um meine Hautfarbe ging.

Ich nahm eine Seife und wollte mich sauber schrubben

Als ich in die Grundschule kam, war ich das einzige Kind in meiner Klasse, das Schwarz war. Im Kindergarten ist mir so etwas zwar aufgefallen, aber es hat mir nichts ausgemacht. Das hier aber war die Grundschule, und plötzlich war ich nicht mehr Miriam aus dem Kindergarten. Es war hart  für mich, Freunde zu finden, und ich glaube, einer der Gründe war meine Hautfarbe. Damals passierte sehr viel in meinem Kopf. Die Diskriminierungen, die ich im Laufe meines Lebens erlebt habe, haben mich sehr verändert. Meine Hautfarbe nahm sehr viel Platz in meinem Leben ein: Ich war das Schwarze Mädchen Miriam und nicht einfach nur Miriam.

Ich erinnere mich noch sehr genau daran, wie ich in unser Badezimmer ging, als ich ungefähr sieben Jahre alt war, und eine Flasche Seife nahm und mich so sauber schrubben wollte, bis ich so weiß und schön war wie Barbie. Letztens erzählte ich meiner Mutter von diesem Vorfall, und sie fragte mich, warum ich so wie Barbie sein wollte und nicht wie all die anderen weißen Persönlichkeiten, die ich kannte. Ganz einfach: Seit ich klein war, spiele ich mit Barbie-Puppen und sehe mir Barbie-Filme an. Barbie ist das hübsche, weiße, blonde Mädchen mit langen Haaren und schönen blauen Augen. Sie ist alles, was wir in der westlichen Welt als schön empfinden – aber Barbie ist das komplette Gegenteil von mir. Miriam, so habe ich das damals empfunden, war das hässliche Schwarze Mädchen mit kurzen schwarzen Haaren und langweiligen braunen Augen. Ich wollte Barbie sein. Nicht weil ich meine Hautfarbe nicht mochte, sondern weil ich so behandelt werden wollte wie eine Person, die aussieht wie Barbie.

Rassismus macht mich nicht einmal mehr wütend, sondern nur noch müde

Heute bin ich vierzehn Jahre alt und komme immer noch nicht so ganz mit meiner Hautfarbe zurecht. Aber ich habe gelernt, meine Hautfarbe zu akzeptieren. Trotzdem ist Rassismus für mich immer noch anstrengend, er macht mich – ehrlich gesagt – nicht einmal mehr wütend, sondern nur noch sehr müde. Immer wieder möchte ich eine Pause von meinem Äußeren bekommen und mich lieber auf mein Inneres konzentrieren. Aber das ist schwer, wenn man von anderen Menschen vermittelt bekommt, dass man nicht dazu gehört, weil man eine andere Hautfarbe hat.

Egal, wo Miriam hingeht, nirgendwo passt sie hinein. Entweder ich bin zu Schwarz für die nichtschwarzen Menschen in meinem Leben. Oder zu weiß für die Schwarzen Menschen in meinem Leben. Ich werde wahrscheinlich nie wieder Miriam aus dem Kindergarten sein können, aber das habe ich akzeptieren gelernt. Jetzt, in diesem Moment, kann ich Miriam sein, die diesen Text verfasst. Miriam, die ihr Leben reflektiert. Miriam, die weiß, dass sie zwar „anders“, aber doch wie alle anderen Menschen ist. Miriam, die ihr Leben einfach nur noch genießen möchte.

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Diesen Text könnt Ihr – neben vielen anderen zu ebenso spannenden Themen – auch lesen in der Print-Ausgabe der q.rage 21/22, des Schüler*innen-Magazins von Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage. Bestellen oder kostenfrei herunterladen könnt Ihr diese und ältere Ausgaben der q.rage hier.

Lesermeinungen

  1. Theresa Mai
    27.08.2021

    Dieser Text birgt so unglaublich viel Trauriges und ist gleichzeitig so schön geschrieben. Ich bin weiß und damit musste ich diese Erfahrungen nie am eigenen Leib erfahren, aber das ist ein Thema das jeden etwas angeht und ich schäme mich für jeden Weißen, der immer noch nicht kapiert hat, dass die Hautfarbe nicht den Wert eines Menschen bestimmt (nicht einmal mehr die Herkunft), sondern einfach nur ein Zeichen für die wundervolle Vielfalt ist, die unsere Welt bietet. Gerade dieser Text, die Emotion, die in diesem Text steckt, zeigt doch das, was an Miriam viel wichtiger ist als ihre Hautfarbe: ihre Persönlichkeit, ihre Gefühle, ihre Bedürfnisse, ihr Leid. Und ich hoffe sehr für sie, dass sie sich bald wieder einfach nur als Miriam sieht. Als ein Mädchen mit Talent zum Schreiben, als ein Mädchen mit ganz viel Gefühl und als ein Mädchen, das die Vielfalt als etwas schönes und nicht mehr als etwas Belastendes empfinden kann. Vor allem aber hoffe ich, dass die Menschen um sie herum endlich all das verstehen.

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