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Foto: picture alliance / ANP | Robin van Lonkhuijsen

Kohlebagger, Kleber oder Kartoffelbrei?

Die Aktionen der Letzten Generation sind umstritten, doch ziviler Ungehorsam hat eine lange Tradition. Bringt er wirklich etwas im Kampf gegen den Klimawandel? Ja, aber nicht allein.

Anastasia (17)

Die BILD-Zeitung, Kommentare unter Tagesschau-Instagramposts, Onkel Thomas beim Familienessen: Alle haben was zu meckern. An Kleber, Kartoffelbrei und Tomatensuppe. Alle haben was zu sagen. Berechtigterweise. Es gibt allerlei Lob- und Kritikpunkte und viele Ideen, wie man die Allgemeinheit auf seine Seite zieht.

Ich bin seit Anfang 2019 bei Fridays for Future (FFF) aktiv, bin 2020 bei Black-Lives-Matter-Demos vor Wasserwerfern weggelaufen, habe bei der Waldbesetzung im Dannenröder Forst Gemüse für die Küfa (Küche für alle) geschnibbelt und in Lützerath knüppelnde Polizisten angeschrien. Ich will auch was sagen.

Der Aufschrei ist groß, die Klimabewegung radikalisiere sich, werde extremistisch, die nächste RAF ließe sicher auch nicht mehr lange auf sich warten. Und zum Teil stimmt das. Das Wort „radikal“ entspringt dem Wortstamm für „Wurzel“, bedeutet also, etwas an der Wurzel zu packen. Und wenn die Klimabewegung eins richtig gut kann, dann die Wurzel des Problems zu benennen. Es hat nun einmal System, dass Kohlekraftwerke noch laufen und die Konsequenzen in Länder des globalen Südens verfrachtet werden. Das ist – Achtung, böses K-Wort! – die Grundideologie des Kapitalismus und die Struktur unserer fossilen Wirtschaft.

Es braucht eine radikale Veränderung des Systems

Vegan werden und Fahrrad fahren reicht nachweislich nicht. Das ist höchstens clevere Schuldabwälzung. Das Konzept vom individuellen CO2-Fußabdruck hat etwa der Shell-Konzern in den 1970er- und 1980er-Jahren entwickelt, um Endkonsument*innen zur Verantwortung zu ziehen – und um Lobbyarbeit zu vertuschen, die dafür gesorgt hat, dass Studien zum Klimawandel unterdrückt wurden. Dass es eine radikale Veränderung dieses Systems braucht, liegt auf der Hand.

Damit hören die Gewissheiten aber schon auf. Der Aktivismus hat mich durch meine Pubertät begleitet – jetzt bin ich sowas wie erwachsen und überforderter denn je.

Damit bin ich nicht allein. In der Bewegung wächst das Gefühl, wir könnten eh nichts mehr erreichen, denn eine Niederlage jagt die nächste: Wälder werden gerodet, Dörfer abgebaggert, Subventionen für fossile Kapitalanlagen beschlossen, trotz aller Arbeit, die wir reingesteckt haben.

Viele verschiedene Formen von Widerstand sind nötig, um etwas zu verändern

Der Hype um Fridays for Future ist vorbei. Diese Form des zivilen Ungehorsams, der Schulstreik fürs Klima, war zu Beginn unheimlich effektiv, auch wenn die Demos zuletzt deutlich weniger besucht wurden. Doch dann kamen Corona, Krieg und Inflation. Ist es deshalb Zeit, bei FFF auszusteigen und nur noch sabotieren zu gehen? Okay, Witz! Oder nutze ich besser das recht gute Standing, das FFF noch immer hat (verglichen mit der Letzten Generation), um eine anschlussfähige Brücke zu radikaler Politik zu bauen? Oder mache ich das alles gar nicht, trete bei den Grünen ein und hoffe, mich bis zum Bundestag durchzuboxen? Haha, der war gut!

Ich glaube, es braucht alle Formen von Widerstand, um im bestehenden System wirklich etwas zu erreichen. Dazu gehört unbedingt auch ziviler Ungehorsam, der sozial viel akzeptierter ist, als es manche Reaktion aus Politik und Feuilleton darstellt. Das zeigt die immense Unterstützung von Anwohner*innen bei Waldbesetzungen oder in Lützerath – aber auch ein Blick in andere Länder oder in die Geschichte. Rosa Parks und Martin Luther King Jr. waren vieles, aber nicht bei allen in den USA beliebt, die Strategie von Ghandi war in Indien durchaus umstritten. Aber gesellschaftlichen und politischen Wandel haben sie alle erreicht.

Ich bin überzeugt, dass die befürchtete Extremisierung hin zur Gewalt in unserer Generation ein Gespinst ist. Ich kenne keine Mitstreiter*innen, die sich ihrer Radikalität nicht bewusst sind und nicht ständig ihre Position mit dem gesamtgesellschaftlichen Konsens abgleichen. Erst neulich saß ich in einem fünfstündigen Strategieplenum, in dem wir diskutiert haben, welches Framing jetzt das sinnvollste ist, um möglichst viele Menschen wieder für den Klimastreik zu mobilisieren.

Unbequemer Protest bliebt nun mal unbequem

Anstatt sich um uns zu sorgen, sollte der Mainstream zuhören, welches politische Versagen solche Protestaktionen motiviert. Sich angesichts der Klimakrise über Aktionsformen zu streiten, ist so, als würde ich erst einmal groß mit dem Alarm schlagenden Rauchmelder diskutieren, weil mir sein Ton nicht gefällt, statt einen Feuerlöscher zu holen.

Let’s not kid ourselves: Frauen hätten vermutlich deutlich später Wahlrecht erlangt, Homosexualität wäre vielleicht noch strafbar und Atomkraftwerke würden noch laufen, hätten die Demonstrierenden damals einfach nur lieb gefragt. Ich bezweifle genauso, dass RWE aufhören wird, skrupellos Kohle zu scheffeln, wenn wir nur freundlich genug darum bitten.
Schlussendlich bleibt unbequemer Protest unbequem. Und er ist in aller Munde. Vielleicht ist damit auch schon das Ziel erreicht.

wird, skrupellos Kohle zu scheffeln, wenn wir nur freundlich genug darum bitten.

Schlussendlich bleibt unbequemer Protest unbequem. Und er ist in aller Munde. Vielleicht ist damit auch schon das Ziel erreicht.

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