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Foto: picture alliance / photothek | Ute Grabowsky

Mehr Schein als Sein

Wie Schönheitsideale unsere Selbstwahrnehmung beeinflussen – und warum Generation Z besonders betroffen ist von Bodyshaming

Helene (17)

Triggerwarnung: Im folgenden Text werden Erlebnisse geschildert, die unangenehme Erinnerungen auslösen können bei Menschen, die von Bodyshaming betroffen waren oder sind.

Stellt euch vor, ihr seid auf einer Familienfeier und geht Richtung Buffet, um euch ein Stück Schokoladenkuchen zu holen. Die Stimmung ist ausgelassen, alle sind froh, dass nach den Corona-Jahren endlich mal wieder alle zusammenkommen können. In dem Moment, in dem ihr das Kuchenstück mehr oder weniger geschickt auf eurem Teller platziert, steht plötzlich eine Tante neben euch, nennen wir sie Tante Thea. „Na, pass bloß auf, dass du nicht zu dick wirst“, sagt Tante Thea und lacht freundlich. „So viel Kuchen, wie du schon hattest.“

Wie würde man umgehen mit der unangenehmen Situation? Viele wären wohl ziemlich perplex, würden peinlich berührt auf den Teller starren oder vielleicht sogar nervös lachen. Das Stück Kuchen würden einige wahrscheinlich nicht mehr anrühren. Und ein paar würden beim nächsten Blick in den Badezimmerspiegel besonders kritisch hinschauen, um zu sehen, ob sie wirklich so dick sind, wie Tante Thea befürchtet.

Bodyshaming kann ernsthafte Folgen haben – bis hin zu Essstörungen

Egal ob in der Schule, im Freundeskreis oder in der Familie: Viele Jugendliche mussten und müssen die schmerzliche Erfahrung machen, von anderen aufgrund des Aussehens ihres Körpers beleidigt und verletzt zu werden. Manchmal mit voller Absicht, manchmal auch unbewusst. Und auch wenn die Geschichte mit Tante Thea anders herum gelaufen wäre, wenn sie gesagt hätte, dass sie froh sei, dass du ein drittes Stück Kuchen isst, weil du „dann nicht länger nur ein Strich in der Landschaft bist“, auch das ist kein Kommentar, den man hören möchte.

Dieses Phänomen wird als Bodyshaming bezeichnet – und seit einigen Jahren immer intensiver diskutiert. Denn Bemerkungen und Kommentare über Äußerlichkeiten, egal ob nebenbei oder mit Absicht fallengelassen, können unabsehbare Folgen für die Empfänger*innen haben: vom Unbehagen am eigenen Körper bis zu ernstzunehmenden Krankheiten wie einer Essstörung.

Eine Freundin hat mir erzählt, dass ihr immer wieder gesagt wurde, sie solle aufhören zu essen, weil ihr Hintern sonst zu dick werden würde. Zu Beginn versuchte sie, solche Kommentare noch wegzulächeln. Doch das wurde immer schwieriger, der Druck wurde immer größer, und sie begann Sport zu machen und weniger zu essen, um abzunehmen. Anfangs waren alle stolz auf sie und lobten sie für ihren Ehrgeiz. Aber als sie immer schlanker wurde, kamen wieder negative Kommentare: Nun war sie plötzlich zu dünn. Dass sie es niemandem recht machen konnte, hat ihre mentale Gesundheit sehr belastet. Zwar hat sie durch diese Erfahrung weder eine Depression noch eine Essstörung bekommen, war jedoch auch nicht weit davon entfernt. Heute hat sie wieder ein gutes Verhältnis zu ihrem Körper aufgebaut und auch wieder Spaß an Aktivitäten wie Sport gefunden, die eine Zeit lang für sie nur mit negativen Gefühlen behaftet waren.

Die Schönheitsideale haben sich im Laufe der Jahrhunderte verändert

Bodyshaming ist ein sehr individuelles Phänomen, aber Ausgangspunkt sind die Schönheitsideale der jeweiligen Zeit. Nur wenn es Körperformen gibt, die gerade „in“ sind, kann es Körperformen geben, die nicht „in“ sind. Während heutzutage von Jungs erwartet wird, sportlich und durchtrainiert zu sein und mindestens ein Sixpack vorweisen zu können, sollen Mädchen schlank, aber nicht dünn, sportlich, aber auch nicht übermäßig muskulös sein. Tante Thea hätte wohl vor 100 Jahren ganz andere Körpereigenschaften kritisiert, als sie es heute tut.

Bodyshaming geht dabei in beide Richtungen. Genauso wie es Fatshaming gibt, ist auch Skinnyshaming verbreitet. Ich selbst bin recht schlank und musste mir früher oft Sprüche wie „Na, das sieht aber nicht mehr gesund aus“ anhören. Aber egal ob „Du bist viel zu dick!“ oder „Du siehst ja aus wie ein Stock!“ – beide Kommentare sind herabsetzend und verletzend für die Betroffenen. Schnell werden dünne Menschen als magersüchtig abgestempelt und dickere Menschen als faul. Beides ist falsch und diskriminierend.

Wo aber kommen diese Schönheitsideale her? Und warum tauchen sie manchmal wie über Nacht auf? Wer erfindet Begriffe wie „Hip Dips“ oder „Inner Thigh Gap“? Und wer macht die Videos auf Youtube und die Manuals auf anderen Plattformen, in denen erklärt wird, was man unternehmen soll gegen die vermeintlichen Makel des eigenen Körpers? Sicher ist: Heute spielen die Sozialen Medien bei diesem Thema eine große Rolle. Früher mag die Werbung in Fernsehen oder Zeitschriften unerreichbare Normen gesetzt haben. Heute werden Schönheitsideale vor allem im digitalen Raum transportiert und besprochen, jedenfalls unter den Jugendlichen, die viel im Netz unterwegs sind – und das sind fast alle.

Ein Klick genügt – und die Augenringen sind verschwunden

Die im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts geborene Generation Z ist die erste, die mit Sozialen Medien wie Instagram oder TikTok aufgewachsen und großgeworden ist. Abgesehen vom Suchtfaktor solcher Apps, bergen sie auch noch eine andere Gefahr: die Vermittlung von unrealistischen Schönheitsidealen. Die Inhalte dieser Apps haben einen beachtlichen Einfluss auf die eigene Wahrnehmung von Jugendlichen. Allerdings: Mit visuellen Filtern und Apps wie Picsart können Körperform, Haut, Haarfarbe und vieles andere verändert werden: Ein Klick genügt, und schon sind die Augenringe verschwunden.

Die Folge: Im Internet ist vieles mehr Schein als Sein. Gerade die technikaffine junge Generation hat schnell verstanden, wie leicht es ist, das eigene Bild zu retuschieren. Es ist deshalb ziemlich ironisch, dass gerade diese Jugendlichen, die selbst am besten wissen, wie einfach man die eigenen Bilder manipulieren kann, sich von den perfekten Posts von Blogger*innen und Influencer*innen beeindrucken lassen und die Ansprüche an den eigenen Körper an einer inszenierten Illusion orientieren. Wer viel Zeit auf Sozialen Plattformen verbringt, hält die dort vorherrschenden Schönheitsideale, seien sie auch noch so unerreichbar, schnell für die gesellschaftliche Norm. Immerhin stößt man zwischen den Bildern von durchtrainierten Körpern und makelloser Haut auch auf Influencer*innen wie @mynameisjessamyn und @emeraldxbeauty, die sich ohne Filter darstellen und eine positive Botschaft vermitteln: Du bist okay, wie du bist!

Die Ideale aus dem Netz sind unrealistisch – und unerreichbar

Schönheitsidealen, die im Netz vermittelt werden, kann niemand wirklich entsprechen. Das frustriert und macht wütend. Doch diese Wut richtet sich allzu oft nicht auf die Vermittler*innen der unrealistischen Ideale – sondern auf andere Menschen, die diesen Idealen nicht entsprechen. Ob die Tante am Buffet oder die Millionen Tanten im Netz: Viele glauben, sie seien berechtigt, die Körper oder das Essverhalten von anderen zu kommentieren, Diäten oder mehr Sport zu empfehlen, und machen auf diese Weise mit beim Bodyshaming.

Aber solange sich unsere Kultur nicht völlig verändert, werden wir weiterhin mit Schönheitsidealen leben müssen. Natürlich helfen ein gutes Selbstwertgefühl, Selbstbewusstsein und Selbstliebe dabei, dass einem Bodyshaming egal sein kann, dass es einen nicht kümmert, wenn man verletzt wird. Aber solch ein gutes Verhältnis zu sich selbst hat nicht jede oder jeder. Und es zu erreichen ist nicht leicht und ein langwieriger Prozess. Deshalb ist es wichtig, nicht nur bei anderen aufmerksam zu sein, sondern immer auch das eigene Handeln zu reflektieren und darauf zu achten, die Mitmenschen nicht mit Bemerkungen und Kommentaren zu verletzen.

Hinweis:

Wer Opfer von Bodyshaming geworden ist oder sogar Probleme mit Essstörungen hat, muss die Situation nicht allein bewältigen, sondern sollte sich Hilfe suchen bei Eltern, Freunden oder Fachleuten. Mehr Informationen und Kontaktadressen:

https://www.bundesfachverbandessstoerungen.de/

https://www.anad.de/

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