Hamburg, 18. April 2020
Hey Lee, hey Lotte!
Hoffentlich geht’s euch gut! Ich, die Hamburgerin unter uns, bin gerade dabei, den nie endenden Berg an Schulaufgaben zu erklimmen, der immer wieder wächst, sobald man stolz etwas fertig geschafft hat…nun ja, es geht aufs Abi zu, manchmal muss ich also bei strahlend blauem Himmel drinnen sitzen und arbeiten.
Aber ohne Fahrrad zu fahren könnte ich es gar nicht aushalten! Meine Freundin und ich haben neulich eine kleine Hamburg-Sightseeingtour zur Alster und den Landungsbrücken gemacht (natürlich auf Abstand). Das war das erste Mal, dass ich mitten auf der Mönckebergstraße gefahren bin, so leer war es. Später saßen wir dann noch in „Hamburgs Centralpark“, Planten un Blom, im Gras und haben die Idylle der Stadt genossen. Die Ruhe im Sturm sozusagen 😉
Ganz ehrlich, ich kann’s kaum erwarten, dass alles wieder normal wird. Ich würde sogar lieber zur Schule gehen als Homeoffice zu machen…bin ich da etwa die Einzige?
Macht’s gut und bis bald!
Hanna

Halle, 21.04.2020
Hallo Lee und Hanna!
Ich hoffe, ihr hattet einen wunderschönen Start in den Tag und bei euch scheint auch die Sonne. 🙂
Mir geht es ähnlich wie dir, Hanna! In welcher Klasse bist du?
Vielleicht stelle ich mich erstmal kurz vor. Ich bin Lotte, bin 17 Jahre alt und wohne in Halle an der Saale. Wenn es nach mir ginge, würde ich mein ganzes Leben in der Sonne verbringen, Zeit mit meinen Liebsten verbringen, schreiben, reisen und fotografieren.
Ganz ähnlich sieht mein Leben zurzeit sogar aus – zumindest teilweise. Ich verbringe unglaublich viel Zeit draußen, gehe spazieren und fange jeden Sonnenstrahl ein. Klar, es gibt verdammt viel für die Schule zutun, aber nach einer Weile, die es gebraucht hat, um mich an diese neue Situation zu gewöhnen, habe ich es geschafft mir einen Alltag zu kreieren, dank dem ich produktiv bin, aber trotzdem ein wenig Ausgleich zu Matheaufgaben, Gedichtanalysen und Hausarbeit habe.
Ich genieße es, viel Zeit allein mit mir zu verbringen, das war etwas, wovor ich noch vor kurzem extreme Angst hatte. Doch jetzt bleibt mir nicht anderes übrig. Denn außer ein paar Treffen mit einzelnen Menschen, verbringe ich wenig Zeit in Gesellschaft. Aber das ist auch gut so, es hat ja alles seinen Grund. Und vielleicht ist das Ganze auch eine Chance für jeden von uns? Zu lernen, allein mit sich selbst zu sein, sich besser zu verstehen und zu merken, dass man trotzdem nie ganz allein ist. Denn wir leben in Zeiten, in denen man jeder Zeit seinen besten Freund/ seine beste Freundin anrufen kann, und sogar sehen kann.
Und klar, diese Zeit, und vor allem die Zeit danach, macht mir schon Sorgen. Fragen wie „Wie lange wird das noch gehen?“, „Werde ich in der Schule wieder mitkommen?“ und „Wann ist mein Leben wieder normal?“
Vielleicht ist es wichtig, dass wir lernen, dass sich auch eine „Normalität“ ändern kann, und vor allem, dass wir keine Macht haben diese zu beeinflussen. Zumindest nicht in dieser Situation. Wir können nur das Beste draus machen.
Aber so optimistisch bin ich noch nicht lange. Gerade die Anfangszeit war sehr schwer für mich. Ich bin meine Strukturen, meinen durchgeplanten und meist stressigen Alltag einfach gewohnt. Dieser Alltag, eine Art Weg, an dem ich mich Tag für Tag entlang hangeln konnte, war von jetzt auf gleich verschwunden. Und ich hatte keine Kontrolle darüber. Ich war bis ewig in die Nacht wach, auf einmal konnte ich nämlich nicht mehr vor meinen Gedanken fliehen, wie ich es früher gemacht hätte.
Ich habe den halben Tag verschlafen, weder Motivation für Schule noch zum Spazieren gehen gefunden. Doch ich habe irgendwann gemerkt, dass mir das langfristig nicht gut tut. Die Schulaufgaben wurden auch nicht weniger, sondern immer mehr. Also habe ich mir meinen einst verschwundenen Alltag einfach selbst zusammengebastelt. Und siehe da, es tut mir gut. Trotzdem ist die Angst vor dem 04.05. da, denn an diesem Tag werde ich voraussichtlich wieder in die Schule gehen, und dann heißt es: einen wieder neuen Alltag schaffen. Aber auch das schaffe ich – schaffen wir.
Ich hoffe ihr habt noch einen wundervollen Tag, macht das Beste draus!
Lotte

Hambacher Forst, 21.04.2020
Schön von euch beiden zu hören,
Mir ging es am Anfang der Krise auch sehr schlecht, da ich schon länger angefangen habe Kartons zu packen und saß daher einige Tage mit einem Bett und einem nur weißen Raum und hatte Angst, dass ich nicht weg kann, die ganzen Sachen wieder auspacken muss und ohne irgendwelche Aufgaben nur Zuhause rumhänge.
Da es zum Glück nicht zur Ausgangssperre kam, konnte ich in den Hambi fahren.
Die Menschen hier sind eigentlich toll, nur einer meinte unter Alkohol ständig und konsequent ein falsches Pronomen verwenden zu können und sagte noch andere abwertende Dinge…
Aber um so schöner war es Menschen bei mir zu haben, welche mich unterstützt haben und alle die da waren, haben nicht locker gelassen bis er endlich gegangen ist 🙂
Zur Zeit liege ich noch im Bett im Baumhaus, aber stehe bald auf um zu schauen, was zu machen ist. Eigentlich wollte ich zum FLINT (female, lesbian, intersexuel, no binary, trans) jedoch habe ich das eindeutig verschlafen 🙁
Ich hoffe ihr habt auch einen schönen Tag und könnt wie Lotte auch schon meinte, dass schöne Wetter genießen.
Und ab heute könnte eine Freundin zu mir in den Wald kommen 😀
Liebe Grüße
Lee
Kehrt die Normalität zurück?
Halle, 29.04.2020
Hallo ihr beiden!
Ich hoffe es geht euch gut und ihr habt eine weitere Woche gut überstanden. So langsam geht es wieder Richtung Normalität, zumindest bei mir. Wann geht es bei dir wieder mit der Schule los Hanna?
Bei all dem Negativen, was man gerade so liest, ist es vielleicht auch mal ganz hilfreich sich auch mal eine positive Zukunft auszumalen. Ich bin überzeugt davon, dass wir viele gute Dinge aus dieser Zeit mitnehmen können. Für mich ist das zum Beispiel die Tatsache, dass ich gelernt habe, wie gut mir Entschleunigung tun kann. Ich hatte mal wieder Zeit für Dinge, die ich lange vor mir hergeschoben hatte oder für Aktivitäten, für die ich mir in meinem stressigen Alltag nie Zeit nahm. Hoffentlich kann ich das beibehalten, sobald es wieder losgeht.
Ich habe auch das Gefühl, dass ich viele kleine Dinge zu schätzen lernen konnte, auf die ich sonst nie geachtet habe, oder die mir jetzt fehlen. Ich freue mich schon auf den ersten Kaffee in meinem Lieblingscafé, auf lange Sommernächte mit meinen Freunden, auf den ersten Theaterbesuch, das erste Konzert und auf die erste kleine Reise, insoweit es wieder möglich ist. Das sind zwar alles Dinge, die mir fehlen, aber gleichzeitig habe ich auch gelernt, ohne all das sagen zu können, dass ich einen schönen Tag hatte. Das ist doch auch mal schön, oder?
Was konntet ihr aus den letzten Wochen mitnehmen?
Liebe Grüße aus Halle!
Lotte
Hambacher Forst, 29.04.2020
Hey Lotte und Hanna,
Ich bekomme von der Krise zwar nicht viel mit, trotzdem beschränkt es mich ein bisschen. Ich habe mir vorgenommen nächste Woche zurück zu fahren und paar Tage bei meiner Mutter vorbei zu schauen. Leider kann ich wenn ich schon nochmal in der Region bin leider nicht noch andere Menschen besuchen 🙁
Ich habe mein Zeitgefühl hier verloren, es ist immer wieder komisch, dass ich schon fast ein Monat weg bin. Ich bekomme hier relativ selten Nachrichten, und als ich nach Köln gefahren bin um Klettermatterial zu holen, hat mich extra eine Person darauf hingewiesen, dass ich mich vermummen muss.
Was toll ist, ich war mit Rock in der Stadt und wurde nicht angepöbelt oder ähnliches. Ich glaube das liegt am Kontaktverbot, da es nicht diese Gruppen gibt, welche sich gegenseitig übertreffen wollen, wer das toxischste Verhalten an den Tag legen kann…
Eigentlich traue ich mich selten, wenn ich alleine unterwegs bin einen Rock zu tragen, aber hier sind sehr viele tolle offene Menschen und ich habe mir als ich in die Stadt gefahren bin keine Gedanken gemacht, dass ich nicht ,,angepasst genug“ herum laufe 😀
Ich hoffe, ihr habt nicht zu viel Stress wegen der Schule.
Viele Grüße aus dem Wald 🙂
Lee
Hamburg, 02.05.2020
Hey ihr beiden!
Die Tage vergehen wirklich in Sekundenschnelle und meistens komme ich gar nicht so schnell hinterher! Ich nehme mir Dinge vor, die ich für die Schule machen muss, und auf einmal ist es schon wieder Abend und ich habe kaum etwas geschafft… deswegen hoffe ich, dass die Dinge ab nächster Woche wieder etwas normaler werden, wenn ab Montag der Unterricht wieder ein bisschen losgeht und man wieder etwas mit Menschen in Kontakt kommt (natürlich mit der Abstandsregel).
Was wirklich wahr ist: ja, man lernt die kleinen oder ganz gewöhnlichen Dinge einfach mehr zu schätzen und diese zu vermissen. Besonders jetzt hat es bei mir eingesetzt, dass ich wirklich eine Menge Menschen sehr vermisse und mir ist auf einmal bewusst geworden, dass ich ganz viele von den Menschen, die irgendwie immer da waren, vielleicht gar nicht mehr wiedersehe! Zum Beispiel diejenigen, die jetzt Abitur geschrieben haben. Das wäre wirklich sehr schade, wenn plötzlich so viele bekannte Gesichter fehlen würden, wenn es bald hoffentlich wieder weitergeht.
Deswegen spukt mir schon seit Tagen dieser eine Satz aus einem Lied von Brad Paisley, einem amerikanischen Countrysänger, im Kopf herum: „There is a last time for everything.“ Er singt darüber, dass man meistens gar nicht weiß, wann „das letzte Mal“ sein wird.
Deshalb werde ich mich umso mehr freuen, wenn wir endlich wieder alle zusammen sind. Auch die kleinen Begegnungen bedeuten mir etwas, wenn man eigentlich nicht unbedingt privaten Kontakt miteinander hat, sich aber immer zulächelt oder winkt, wenn man sich sieht;)
Ich hoffe wirklich sehr, dass mein letztes Schuljahr noch halbwegs normal und auch schön sein wird, trotz des Abis, das langsam näher rückt. Und genauso wie ihr versuche ich auch jetzt, neben meinem Homeschooling die guten Dinge aus dieser Zeit zu ziehen, aber ich kann es trotzdem kaum erwarten, wenn wir kein Kontaktverbot mehr brauchen. Das wird bestimmt ein besonderer Tag!;)
Macht’s gut und bleibt auf jeden Fall gesund!
Liebe Grüße aus Hamburg,
Hanna
P.S. Die Sonnenuntergänge sind nach wie vor wunderschön!
