icon-arrowicon-backicon-closeicon-facebookicon-google-plusicon-googleplusicon-hamburger-mergedicon-hamburgericon-inicon-instagramicon-linkedinicon-mailicon-pinteresticon-rssicon-searchicon-shareicon-snapchaticon-twitterZeichenfläche 28icon-xingicon-youtube
Foto: picture alliance / Westend61 | Jose Carlos Ichiro

Die beste Freundin aus dem Netz

Schuldet uns das Internet eine Meinung? Wie ich einmal von meinen Lieblingsinfluencer*innen enttäuscht wurde – und ins Grübeln geriet.

Helene (18)

Kennst du das, wenn du nach einem langen Schultag eine Pause brauchst und dich plötzlich auf Instagram oder TikTok wiederfindest? Schnelle Ablenkung, Abstand vom Alltag – und eigene Probleme sind vergessen, wenn Influencer*innen und Celebrities, aber auch eigene Freunde in ihren Storys und Posts Einblicke in ihren Alltag zeigen. In Sekunden geht es manchmal von belanglosen Alltagsgeschichten zur Werbung, von längeren Storytimes bis hin zu politischen Themen und wieder zurück.

Die Schauspielerin Florence Pugh postet beispielsweise neben Filmpremieren und ihrem persönlichen Content immer auch zu politischen Themen. Ich persönlich finde das sehr sympathisch. So hat sie in der Vergangenheit über Safety Apps für den Weg nach Hause aufgeklärt, aber auch auf Beiträge zum Thema Femizid hingewiesen. Zusätzlich repostet sie die Erfahrungen ihrer Follower*innen und gibt ihnen so eine Stimme. Ob das eine Marketingstrategie ist oder nicht, es wirkt auf jeden Fall engagiert und aufmerksam gegenüber den Themen, die ihrer Community wichtig sind. Und wir als Follower*innen sind zufrieden, wenn wir schon mit dem Repost eines Beitrages unser soziales Gewissen beruhigen können.

Viele Influencer*innen trauen sich nicht, eine Meinung zu äußern

Natürlich könnte man sich auch eine eigene Meinung bilden, ohne zu wissen, was Celebrity XY zu dem Thema denkt. Aber manche Themen erreichen mich vor allem über die sozialen Medien – wie am 24. Juni des vergangenen Jahres. Da gab es einen großen Aufruhr im Netz, alle schienen sich austauschen zu wollen. Der Bundestag in Berlin hatte entschieden, den umstrittenen Paragraf 219a abzuschaffen, gleichzeitig wurde vom Supreme Court der USA das Grundsatzurteil „Roe v. Wade“ gekippt und damit das garantierte Recht auf Abtreibung abgeschafft. Während also in Deutschland Ärzt*innen nun legal über Abtreibungen informieren dürfen, können in den USA die einzelnen Bundesstaaten eigene Abtreibungsregelungen einführen, was dazu führen wird, dass viele Frauen künftig nicht mehr legal abtreiben können.

Auch wenn ich und meine Freunde nicht direkt betroffen sind von dem Urteil in den USA, war es trotzdem ein wichtiges Thema für uns, über das wir viel gesprochen haben, denn schließlich geht es um Menschenrechte, die uns alle etwas angehen. Während ich mich online mit anderen über die Folgen der Gerichtsentscheidung austauschte, durchsuchte ich die Storys von Influencer*innen, weil mich interessierte, was die zu den Ereignissen zu sagen hatten. Die wenigsten äußerten eine Meinung – und ich war enttäuscht.

Warum interessiert es mich so brennend, was Menschen denken, die ich nicht kenne?

Vielleicht wollen Influencer*innen sich nicht zu einem Thema äußern, weil sie keine Expertise besitzen. Vielleicht haben sie auch einfach nur Angst, eine Haltung einzunehmen und damit Follower*innen zu verlieren. Ich habe mich aber gefragt, warum es mich so brennend interessiert, was Menschen, die ich eigentlich nicht kenne, über „Roe v. Wade“ oder den Paragrafen 219a denken. Vielleicht liegt es daran, dass man sich in den Influencer*innen, denen man sein Vertrauen schenkt, indem man ihnen folgt, nicht getäuscht haben will.

Die Vorbilder, die man hat, ändern sich im Laufe des Lebens. Die Ansichten der Eltern haben zwar immer noch Gewicht, wenn man älter wird, aber gerade wir, die Mitglieder der Generation Z, orientieren sich oft im Internet und suchen dort nach Meinungen, denen wir uns anschließen können. Für mich ist es eine Bestätigung, ja sogar fast eine Art Trost, wenn jemand wie Florence Pugh dieselbe Meinung hat – und wenn sie dann ihre Reichweite nutzt, um für ein wichtiges Thema mehr Aufmerksamkeit zu schaffen.

Celebrities aus der digitalen Welt haben eine gewisse Vorbildfunktion übernommen

So haben Influencer*innen und Celebrities, denen man täglich digital begegnet und mit denen man oft mehr Zeit verbringt als mit der besten Freundin, eine gewisse Vorbildfunktion übernommen. Es gehört zu ihrem Geschäftsmodell, eine freundschaftliche Ebene mit ihren Follower*innen herzustellen. Denn so funktioniert das Vermarkten von Produkten besonders gut, wenn man das Produkt empfohlen bekommt von jemandem, der ein guter Freund oder einer guten Freundin zu sein scheint. Deshalb sollen die Storys von Influencer*innen den Eindruck erwecken, als könnten wir tatsächlich an ihrem Leben teilhaben. Natürlich ist jedem*jeder Follower*in klar, dass dabei nur ein geschöntes, sauber gesiebtes Bild präsentiert wird. Trotzdem funktioniert es: Man taucht ein in den vermeintlichen Alltag einer Fremden oder eines Fremden, während man selbst den eigenen Alltag erlebt. Beides geht für kurze Momente ineinander über, wenn man in der Pause einen Augenblick am Handy sitzt und durch die Instagram-Storys klickt, das Virtuelle und die Realität verwischen. Und wenn dann ein einschneidendes Ereignis eintritt, wenn einen etwas sehr beschäftigt, dann interessiert es einen genauso, was die Freundin aus der Schule dazu zu sagen hat wie die Lieblingsinfluencer*in – vielleicht sogar mehr.

Aber natürlich ist das eine einseitige Freundschaft. Wir User*innen kennen die Influencer*innen oder glauben sie zumindest zu kennen. Die Influencer*innen können aber ihre bisweilen mehrere Millionen Follower*innen unmöglich kennen. Umso wichtiger ist ein verantwortungsvoller Umgang mit der eigenen Reichweite. Und für uns als Follower*innen, auch die Äußerungen der Internetberühmtheiten zu überprüfen – und uns eine eigene Meinung zu bilden.

,

Kommentar verfassen

Dein Kommentar wird von einem Moderator überprüft, bevor er auf der Website erscheint. Informationen zum Datenschutz