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Foto: Johanna Landscheidt

Ungetauft

Als Kind wurde Ramón gemobbt, weil er nicht getauft war. Er entschied sich, das zu ändern, doch das war gar nicht so einfach. Jetzt berichtet er über seinen Weg zur Taufe.

Ramón (17)

„Ich will getauft sein!“, rief ich in die Küche und rannte zu meiner Mutter. Ich war sieben Jahre alt und der Sommer ging gerade zu Ende. Meine Mutter fragte mich, wie ich darauf gekommen war.

„Alle anderen in der Schule sind auch getauft.“ Es stimmte: Alle Kinder waren schon früh getauft worden. Im Sauerland war es normal, als Baby katholisch getauft zu werden und fortan in die Kirche zu gehen. Ich war anders. Meine Eltern wollten, dass ich mich entscheide, ob ich getauft werden will. Nun hatte ich mich entschieden.

In der Schule nannte mich ein Mitschüler beim Fußballspielen „Teufel”. Einige Mitschüler fanden Spaß daran, mich damit aufzuziehen, dass ich nicht getauft war. Je öfter ich ihre Sticheleien hörte, desto mehr taten sie weh. Anfangs versuchte ich, sie zu ignorieren. Irgendwann wollte ich nicht mehr in die Schule gehen.

Meine Eltern waren überrascht, unterstützten mich aber bei meinem Taufwunsch. Es gab nur ein Problem: Sie waren selbst keine Gemeindemitglieder. In der katholischen Kirche darf man aber nur getauft werden, wenn mindestens ein Elternteil schon in der Kirche ist. Ist das nicht der Fall, muss ein Elternteil wieder eintreten.

Zurück in die Kirche

Mein Vater wollte keine Kirchensteuer zahlen und nichts mit der Kirche zu tun haben, also erklärte sich meine Mutter bereit dazu. Sie war schon früh aus der Kirche ausgetreten, aus ähnlichen Gründen wie mein Vater. Doch von jetzt auf gleich wieder eintreten? Nicht mit der katholischen Kirche. Meine Mutter musste erst beweisen, dass sie „gläubig genug“ sei.

An einem Herbstabend kam meine Mutter von ihrer ersten Unterrichtsstunde aus dem Pfarrheim zurück. Sie musste für ihren Wiedereintritt in die Kirche einen Kurs besuchen. Ich lag im Bett und hörte, wie die Tür etwas lauter als sonst zufiel und sie die Treppe in die Wohnung hochging. Ich dachte mir nichts dabei. Und ich freute mich auf meine Taufe.

Eine Hand voll Unterrichtsstunden, eine Prüfung, eine Beichte und ein Glaubensbekenntnis brauchte es für meine Mutter, um sie mit der katholischen Kirche „wiederzuversöhnen“. So stand es in der Bescheinigung vom Pfarramt. Wochenlang fuhr sie dafür nach der Arbeit in den Nachbarort. Sie sagte mir, dass es sich anfühlte wie Schule. Sie musste Arbeitsblätter bearbeiten und die Fragen der Pfarreiangestellten beantworten.

„Glauben Sie, Gott ist allmächtig und allgegenwärtig?“
„Nein.“

Beinahe flog meine Mutter wegen dieser Antwort aus dem Kurs. Eine „richtige Gläubige“ hätte natürlich bejaht ohne weiter nachzufragen, aber meine Mutter dachte mehr als zu glauben. Sie erzählte mir später, dass die Dame sie fassungslos angestarrt habe und erst nach einiger Zeit ein kurzes, aber bestimmtes „Warum das?“ aus sich herauspresste.

„Wenn Gott allmächtig ist, warum gibt es dann so viel Elend auf der Welt?“, fragte meine Mutter.
„Nun ja, Gott kann ja nicht überall sein. Das geht ja nicht.“

Meine Mutter lenkte ein und die Gemeindeangestellte führte den Unterricht fort. Und so fiel wenige Wochen später endlich der Satz, auf den ich so lange gewartet hatte: „Ich taufe dich auf den Namen Manuel Ramón“.

Glauben frei leben

Ich legte meine Stirn in das beige, steinerne Taufbecken und der Vikar goss mir Wasser über die Haare. Ich war glücklich und etwas stolz, auch endlich getauft zu sein – gleichwohl es sich irgendwie falsch anfühlte, selbst zum Taufbecken zu gehen, während die anderen Kinder von ihren Eltern getragen wurden. Sieben Jahre war ich alt, die anderen nicht mal ein Jahr.

Auf dem Nachhauseweg freute ich mich darauf, am nächsten Schultag zu erzählen, dass ich jetzt war wie alle anderen Kinder. Ich ging zur Erstkommunion, diente Samstagabends in der Messe. Das erste Mal den Weihrauch halten zu dürfen und die erste Ostermesse waren für mich ein Erlebnis. Ich habe mich immer gern in die Kirche eingebracht.

Aber gläubig? Zehn Jahre nach meiner Taufe denke ich, ich war nie gläubig. Ich bin es auch jetzt nicht, und ich werde es wohl nie sein. Glaube war für mich nie greifbar, nur die Kirche war es.

Heute bin ich dagegen, Dinge zu tun, nur weil alle sie tun. Jeder Mensch sollte seinen Glauben frei leben können, egal wo. Genauso sollte aber auch jeder Mensch frei darin sein, nicht zu glauben und keiner Religion anzugehören.

Die späte Taufe brachte mir einige Probleme ein, doch ich bin meinen Eltern dankbar dafür, dass sie mich haben selbst entscheiden lassen. Sie haben mir damit einen schönen Grundsatz mitgegeben: Dass ich frei bin, zu entscheiden und im Zweifel meine Meinung ändern kann. Das habe ich auch. Ich habe mich gegen die Firmung entschieden und werde die Kirche mit meinem 18. Lebensjahr verlassen.

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