„Bist du ein Junge oder ein Mädchen?“ Diese Frage wird meist verunsichert gestellt. Meine Antwort: ein Junge.
Ich bin Transgender, genauer gesagt FtM, das ist die Abkürzung für Female to Male. Das bedeutet für mich, ich wurde im falschen Körper geboren; ich bin quasi männlich, aber in einem weiblichen Körper gefangen.
Direkt zu Anfang möchte ich allerdings klarstellen, dass viele Menschen sehr gut mit dem Thema umgehen. Meine Klasse hat sich nach dem Outing in der 11. sehr schnell auf den neuen Namen und die Pronomen umgestellt, und auch die Schule und meine Familie gehen sehr unterstützend mit dem Thema um. In diesem Text würde ich allerdings gerne über die andere Seite des Ganzen sprechen. Ich schreibe in diesem Text meine persönliche Sicht darüber, was bedeutet, dass dies keinesfalls verallgemeinert werden sollte.
Es wird zu wenig über das Thema gesprochen – gerade in der Schule
Zuerst einmal stellen das Problem eher Begrifflichkeiten da. Es geht nicht darum, jeden Begriff genau unterscheiden zu können. Ich behaupte nicht, dass ich alle Begriffe innerhalb von LGBTQ+ kennen würde und das ist auch nicht wichtig. Hierüber kann man auch einfach mit der jeweiligen Person reden. Ich muss beispielsweise jedes zweite Mal meinem Gegenüber erklären was Transgender (für mich) eigentlich bedeutet, und auch wenn das manchmal nervt, ist es immer besser zu fragen als dem Thema und damit mir aus dem Weg zu gehen. Hierbei ist es vor allem wichtig, das Gegenüber auch ernst zu nehmen. Bewusst Namen und Pronomen zu ignorieren, ist nicht nur respektlos, sondern kann psychisch auch sehr belastend sein. Ich habe zum Beispiel keinen Bock mehr auf die Frage, was der Unterschied zwischen Transgender und Homosexualität ist. Auch Fragen wie „Wann hast du dich entschieden ein Mann zu sein?“ zeigt, dass die Person das Thema definitiv nicht verstanden hat. Transgender zu sein ist keine Entscheidung.
Außerdem wurde und wird zu wenig über das Thema gesprochen bzw. aufgeklärt – auch wenn ich glaube, dass es deutlich besser geworden ist. Soweit ich mich erinnere, wurde das Ganze damals in meiner Grundschule nicht thematisiert, was tatsächlich ein Problem darstellt.
Gerade bei Kindern ist Aufklärung in diesem Themenbereich unglaublich wichtig. Der Grund dafür ist, dass viele körperliche Veränderungen durch die Pubertät unumkehrbar sind und hier dann unter anderem Operationen nötig sind, um sie rückgängig zu machen. Außerdem merken Kinder oft schon im frühen Alter, dass bei ihnen etwas anders ist, und dann ist es wichtig, dieses Thema z.B. in der Schule anzusprechen, um das Ganze benennen zu können und zu verstehen, dass es einfach sein kann, im falschen Körper geboren worden zu sein und man etwas tun kann.
Ein Problem: Es gibt nicht genug Therapeuten
Ich weiß, ich kann mich glücklich schätzen, dass meine ganze Familie mich bei dem Thema unterstützt. Trotzdem kann ich nur sagen: Es ist die Hölle. Um von der Krankenkasse beispielsweise Hormone bezahlt zu bekommen, ist im Normalfall ungefähr ein halbes bis zu einem ganzen Jahr Begleittherapie erforderlich. Aber ganz so einfach ist das Ganze nicht. Man kann Glück oder Pech haben. Ich hab mich vor ungefähr zwei Jahren geoutet und immer noch keinen Therapeuten. Ein Grund dafür ist, dass ich abgesehen von der Transthematik noch weitere Probleme habe. Daher habe ich schon oft gehört, dass ich erst meine anderen Probleme in den Griff bekommen muss, bevor man sich mit der Trans-Thematik beschäftigen könne. Vermutlich wird deutlich, dass diese Aussage keinen Sinn macht. Ich bin ein Mensch und man kann das nicht so einfach trennen.
Der andere Grund ist ziemlich einfach: Es gibt nicht genug Therapeuten.
Des Weiteren würde ich gerne noch kurz erklären, warum das alles so ein Problem ist. Beispielsweise bin ich eine zeitlang dauerhaft mit Binder rumgelaufen. Ein Binder ist eine Art Unterhemd, mit welchem man die Brust abbinden kann, um einen möglichst flachen Oberkörper zu bekommen. Das Problem daran ist, dass man dadurch unter anderem sehr schlecht Luft bekommt, was in meinem Fall ein echtes Problem darstellt. Der Grund, warum ich oder andere das machen, ist, dass es eine extreme psychische Belastung ist, ohne Binder draußen rum zu laufen oder etwas mit anderen Personen zu machen. Das geht von Sich-unwohl-fühlen bis hin zu Panikattacken. Wenn man das Ganze aber übertreibt, kann dies auch zu körperlichen Schädigungen z.B. an den Rippen führen.
Trans-Menschen haben ein deutlich höheres Suizidrisiko
Wenn ich also morgens aus dem Haus gehe, muss ich mich entscheiden: atmen oder in meinem Kopf klar kommen. Nicht umsonst ist das Suizidrisiko bei Trans-Menschen deutlich höher.
Abschließend noch ein paar Dinge: Ich glaube, das Wichtigste ist, darüber zu reden. Wenn man sich unsicher ist, was Namen oder Pronomen angeht, ist es am besten, die Person einfach zu fragen. Jeder ist da anders, folglich ist es gerade bei sehr persönlichen Themen wichtig, Grenzen zu respektieren. Wenn jemand darüber reden will, wird er es tun.
Zum Glück wird das Thema in unserer Gesellschaft immer präsenter und es hat sich schon Einiges geändert. Trotzdem stellen Gesetzgeber und Krankenkassen Transgendern einige Hürden in den Weg, aber ich hoffe, dass sich dies in naher Zukunft ändert.
Dieser Text erschien zuerst auf „MOS Couragiert …“, dem Blog der Aktion-Courage-AG der Montessori Fachoberschule Franken in Nürnberg, seit 2015 Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage.