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Foto: picture alliance / Westend61 | Davide Angelini

Allein unter Weißen

Ich will nicht mehr erklären müssen, was Rassismus mit mir macht. Ich will, dass sich endlich etwas ändert!

Céline (18)

Da, er sagt es noch einmal. Das N-Wort. Der Lehrer hat das N-Wort in einem Buch seiner Kinder gelesen, jetzt will er mit uns darüber reden. Aber er umschreibt es nicht, er sagt nicht „das N-Wort“, nein, er sagt einfach immer wieder: „N…“

Denn wenn über das Wort gesprochen wird, wird man es als weißer deutscher Mann doch wohl noch mal aussprechen dürfen. Es sind die längsten 20 Minuten meines Lebens. Ich bin verletzt, ich bin wütend, ich beschwere mich. Er rechtfertigt sich, dass er das Wort aussprechen müsse, denn „wenn man N-Wort sagt, könne man ja auch denken, dass es für Nutte steht“.

Was? Dieser Lehrer hat nicht einmal das Problem hinter dem Gebrauch des N-Wortes erkannt. Er ist ignorant. Er will das Problem nicht sehen. So wie viele andere.

Viele schauen weg. Wir können nicht wegschauen.

Aber nicht weiße, nicht weiß gelesene Menschen wie ich können nicht wegschauen, weil sie mittendrin stehen. Wir können unsere Hautfarbe, unsere Nase, unsere Haare nicht ablegen. Wir können nicht einfach sagen, Rassismus gibt es nicht, denn wir erleben ihn jeden Tag.

Stattdessen muss ich mir immer wieder und wieder anhören: „Komm doch mal drüber weg! Warum hast du das denn immer noch nicht überwunden?“ Und schlimmer, wenn mich jemand fragt: „Bin ich denn rassistisch?“ Und sich so in die Opferrolle manövriert – und mich selbst in die Position der Angreifeins.

Dabei bist nicht du es, sondern ich, die immer wieder gefragt wird, wo ich herkomme, auch wenn ich sage, dass ich in diesem Land geboren wurde. Bist du je in einem Laden klammheimlich beobachtet worden, weil man dachte, du würdest etwas klauen wollen? Oder sind schon mal Kinder vor dir weggerannt, weil sie dich gruselig fanden? Nein? Mir passiert das ständig.

Also erzähl mir nicht, wir hätten den Rassismus überwunden. Ja, der direkte und feindselige Rassismus ist selten, trotzdem ist Rassismus immer und überall da, er ist nur subtiler geworden. Bloß, weil du behauptest, dass du farbenblind seist, hast du noch lange keine rassistischen Bilder mehr im Kopf. Bloß, weil du nicht mehr mit dem Wasserwerfer auf Schwarze & PoC zielst, heißt es nicht, dass du kein Rassist bist.

Ich will nie wieder hören, ich würde überreagieren

Niemand versteht, wie schwer es ist, die kleinen Sticheleien, die Anspielungen, das Lachen über die Haare, das Relativieren unserer Gefühle zu ertragen. Ich will nie wieder hören, ich würde überreagieren.

Ich will auch nie wieder Menschen, die nicht von Rassismus betroffen sind, erklären müssen, was Rassismus ist, was er mit mir macht, und dass sie Privilegien besitzen, die ich nie haben werde. Ich will nie wieder diskutieren müssen, ob das N-Wort in Büchern geändert werden soll. Nein, ich will die Geschichte nicht umschreiben. Ich will nur, dass dieses unnötige, widerwärtige Wort aus dem Sprachgebrauch und aus Büchern entfernt wird. Denn es gibt absolut keinen Kontext, der die Verwendung des Wortes rechtfertigt, der kein rassistischer ist. Niemand soll dieses Wort in den Mund nehmen – und erst recht kein weißer Mensch.

Wir sind alle Rassisten! Du, er, sie – und ich auch. Ja, selbst ich als Afrodeutsche Person mit sSchwarzer Mutter und weißem Vater, habe rassistische Stereotype in meinem Kopf, weil ich in einer Gesellschaft aufgewachsen bin, die weiß dominiert ist. Ich bin unter weißen Menschen aufgewachsen, ich war immer allein. In dem Dorf, in dem ich lebe, begegnet mir auch heute nur alle paar Monate eine andere Schwarze Person.

Die Geschichte, die wir lernen, ist eine weiße Landschaft

Ich habe mich an weißen Schönheitsidealen orientiert, ich hatte keine anderen., Doch ich wollte nicht gehasst werden, passte mich an – und habe mein Aussehen gehasst. Ich habe meine Haare geglättet oder zusammengebunden, ich habe das Lachen und die Witze über mein ach so exotisches Aussehen stumm ertragen, weil ich sonst keine Freunde gefunden hätte.

Die Geschichte, die wir an den Schulen lernen, ist eine weiße Landschaft. Weiße Menschen sind überrepräsentiert, sSchwarze und PoC (People of Color) kaum zu sehen. Wie viele Schwarze Menschen sitzen im Bundestag? Wie viele sind in Vorständen großer Unternehmen? Wann taucht mal eine sSchwarze Person in einer Fernsehserie auf als Teil einer ganz normalen Familie, wann wird endlich mal in Betracht gezogen, dass es mehr gibt als Mutter Sabine, Vater Thorsten und Kind Marie? Wann wirst du deinen Kindern beibringen, dass es nichts Besonderes ist, keine blonden Haare und blauen Augen zu haben? Wann wirst du dein Denken hinterfragen und den Austausch mit Betroffenen suchen? Wann wirst du – anstatt zu urteilen – einfach mal zuhören? Wann wird es keine Vorurteile mehr geben, wann keinen Hass mehr und keine Gewalt gegen Menschen, die anders aussehen? Wann wird der letzte Lehrer endlich gelernt haben, dass man das N-Wort nicht auszusprechen braucht?

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