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(c) dpa

Dersini yaptın mı?

Russisch, Kurdisch, Türkisch und Arabisch – auf Schulhöfen wird längst nicht mehr nur Deutsch gesprochen. Nicht alle finden das in Ordnung. Ein Stimmungsbericht aus Hagen und Berlin

Alina (17) und Furkan Kö. (17) für Q-rage!

Özlem (17), Mustafa (17) und Emre (16) besuchen das Theodor-Heuss-Gymnasium in Hagen. Sie haben einen Migrationshintergrund, wie jeder dritte Bürger der Stadt. Eigentlich sind sie waschechte Kinder des Ruhrgebiets, denn sie sind hier geboren und aufgewachsen. Obgleich ihre Familien seit über 40 Jahren in Hagen leben, bezeichnet sich Özlem selber als Türkin und meint: „Ich fühle mich geborgen in der türkischen Sprache.“ Für sie ist es auch normal, wenn sie in der Schule, in den Pausen und manchmal sogar im Unterricht mit türkischstämmigen Mitschülern Türkisch spricht. Mustafa geht es ähnlich.

Manchmal ruft er mit seiner tiefen Stimme quer über den Schulhof in Türkisch: „Dersini yaptın mı?“ also auf Deutsch: „Hast du deine Hausaufgaben gemacht?“. Das sorgt bei einigen Mitschülern für Verwirrung. Denn von den 700 Gymnasiasten spricht nur ein Zehntel Türkisch. So kann es passieren, dass Mustafa „Sprich Deutsch, wir sind in Deutschland“ zu hören bekommt. Doch das beeindruckt den 17-Jährigen nicht: „Ja, natürlich kann ich die Verwirrung verstehen, wenn jemand das nicht versteht, aber es ist meine Sache, in welcher Sprache ich mich unterhalte. Da sollte man sich nicht einmischen.“ Auch Emre wünscht sich mehr Respekt: „Türkisch ist meine Familiensprache. Jeder Mensch hat eine andere Herkunft, die unabhängig davon ist, wo man lebt und das sollte akzeptiert werden.“

Ich kann verstehen, dass andere wissen wollen, was ich erzähle und Angst haben, ich könnte lästern

Das Türkische ist für die drei angehenden Abiturienten ein wichtiger Teil ihrer Persönlichkeit. Für die Lehrer war es bisher kein Problem, dass sie auf dem Schulhof und manchmal auch im Unterricht ins Türkische verfallen. Obwohl sich Özlem, Mustafa und Emre sehr mit der türkischen Kultur und Sprache identifizieren, fühlen sie sich dennoch zu Deutschland zugehörig: „Wir sind trotz unserer unterschiedlichen Herkunft Teil dieses wundervollen Landes.“, sagen alle drei und meinen damit Deutschland.

Ganz anders sieht die Situation im Manfred-von-Ardenne-Gymnasium in Berlin-Lichtenberg aus. Auf dem Schulhof hört man so gut wie nur Deutsch, und das obwohl 20 Prozent der Schüler eine nichtdeutsche Herkunftssprache haben. Die größten Einwanderergruppen in Lichtenberg kommen aus Vietnam und Russland. Zu diesen zählen auch Diep (17) und Van Anh (17), die beide vietnamesischer Herkunft sind, sowie Yessica (17), eine russischstämmige Mitschülerin. Diep ist in Vietnam geboren und kam im Alter von sieben Jahren mit ihren Eltern nach Berlin.

Zu Hause spricht die selbstbewusste 17-Jährige Vietnamesisch, in der Schule aber Deutsch. „Für mich hat die Schule einen anderen Wert als die Freizeit“, sagt Diep. Vietnamesisch spricht sie nur mit ihren Verwandten. Die Schule ist für sie ein öffentlicher Ort. Ihre Mitschülerin Van Anh sieht das genauso: „Ich kann verstehen, dass andere wissen wollen, was ich erzähle und Angst haben, ich könnte über sie lästern. Deshalb spreche ich lieber Deutsch, damit mich jeder versteht“. Aber beide würde es nicht stören, wenn sich Mitschüler in einer anderen Sprache unterhielten. Die Eltern von Diep und die Eltern von Van Anh legen Wert darauf, dass ihre Kinder Vietnamesisch sprechen können, dass sie ihre Herkunftskultur kennen und nicht vergessen. Trotzdem fühlt sich Van Anh mehr als Deutsche, weil sie in Berlin geboren wurde und weil sie die deutsche Sprache besser beherrscht als die vietnamesische.

Für Yessica ist es überhaupt kein Problem nur deutsch zu sprechen, egal ob im Unterricht oder in den Pausen. Dies begründet die 17-Jährige damit, dass sie in Deutschland lebe. Zu Hause redet Yessica ab und zu auch Russisch – um sich mit ihren Verwandten verständigen zu können und um ihre Sprache nicht zu verlernen, „wir lernen ja in Deutschland auch diverse Sprachen, also kann man das genauso ansehen“.

Anfangs erzählt Yessica lieber erst, dass sie eine Russin sei. Wenn man sie dann auf ihr akzentfreies Deutsch anspricht, erklärt die junge Frau gleich, dass sie halb deutsch und halb russisch ist. Sie sieht ganz klar einen Vorteil darin, mehrsprachig aufgewachsen zu sein: „Man kann sich in mehreren Ländern verständigen und wenn man unterwegs ist und nicht jeder es mitbekommen soll, was man sagt, kann man sich auch in der anderen Sprache verständigen“. Alle drei haben außerdem einen kulturell gemischten Freundeskreis – und sie sehen sich als Jugendliche mit zwei Identitäten.

Erstveröffentlichung: Q-rage! 2015/16

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