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Allein im Klassenchat
Illustration: Katja Gendikova

Pling, pling, pliiing!

Fast jede Schülerin und jeder Schüler kennt ihn: den Klassenchat. Aber aus dem praktischen Infokanal kann schnell auch ein Mobbing-Werkzeug werden.

Lara (18)

Pling, pling, pliiing! Eine Nachricht nach der anderen trifft auf meinem Smartphone ein, es sind jetzt schon über hundert, und das in nur zehn Minuten. Meine Klassenkameraden bekriegen sich mit Emojis und Spamnachrichten im Klassenchat.

Der Klassenchat: Segen und Fluch zugleich. Ungemein praktisch auf der einen Seite, birgt die digitale Klassenansammlung aber auch Gefahren, die bis hin zum Mobbing gehen. Denn wenn Mitschüler*innen im Klassenchat über längere Zeit bloßgestellt, ausgegrenzt, beschimpft oder angefeindet werden, dann ist das Cybermobbing. In schleichenden Prozessen kann der Klassenchat zu einem Werkzeug für systematische Diskriminierung werden.

Spätestens in einer weiterführenden Schule sind Klassenchats Pflichtprogramm, oft organisieren die Schüler*innen private Gruppenchats unabhängig von Lehrkräften und Eltern. Die sind ja nützlich, um auch außerhalb der Schule Kontakt zueinander zu halten, um außerschulische Aktivitäten, Schulausflüge oder Klassenprojekte zu planen oder um sich zu Hausaufgaben und Unterricht auszutauschen.

Beleidigungen und Einschüchterungen verbreiten sich schneller als in der realen Welt

Aber hast du dich immer wohl gefühlt in eurem Klassenchat? Gibt es nicht immer ein paar Mitschüler*innen, die negativ auffallen? Das harmloseste Problem ist noch der Spam, wenn unter täglich 300 belanglosen Nachrichten die wirklich wichtigen begraben werden. Auch gefährlich: Durch Emojis oder kurze Textnachrichten können leicht Missverständnisse entstehen. Unangemessene Bilder, Videos oder Audios werden geteilt. Beleidigungen, Einschüchterungen und Streitigkeiten verbreiten sich schneller als in der realen Welt, und das kann, da die Hemmschwelle im Internet eh niedriger ist, weil man dem Adressaten nicht persönlich gegenübersitzt, zum Cybermobbing führen.

Mobbing findet natürlich nicht automatisch in jedem Klassenchat statt, aber der Anlass, aus dem jemand gemobbt wird, kann profan sein. Man muss nicht übergewichtig sein oder unsportlich, mitunter trifft es jemanden einfach nur, weil er oder sie besonders schüchtern ist oder noch nicht lange genug in Deutschland ist, um die Sprache perfekt zu beherrschen.

Diese Beispiele stammen aus einer Recherche, die ich im vergangenen Sommer an meiner Schule durchgeführt habe. Ich habe mit mehreren Schüler*innen und Lehrer*innen gesprochen, um herauszufinden, wie mit Klassenchats umgegangen wird und wie verbreitet Mobbing ist.

In meinem Abschlussjahrgang diente der Klassenchat fast nur zur Informationsweitergabe, die über die Corona-Zeit immer mehr an Bedeutung gewonnen hatte. Aber eine Schülerin aus der Mittelstufe berichtete mir von Schikanen im Klassenchat. Mobbing, das sich schon im Unterricht gezeigt hatte, verstärkte sich noch im virtuellen Klassenzimmer. Durch den Chat zogen die Konflikte weitere Kreise, Schüler*innen, die sonst außen vor geblieben wären, mischten sich ein. Das alles führte zu Erniedrigungen und Ausgrenzung, die so in in der Realität nie stattgefunden hätte, glaubt die Schülerin.

Auch ein Täter kann rasch zum Opfer werden

Ein besonders prägnantes Beispiel war das eines Schülers, der eher durch unfreundliche, provokante Kommentare im Klassenchat aufgefallen war – und daraufhin selbst zum Objekt von Hassbotschaften wurde, die bis zu Morddrohungen reichten. Das Cybermobbing ging über mehrere Wochen, schließlich musste die Polizei gerufen werden. Aufgrund der niedrigen Hemmschwellen und der schnellen Verbreitung der Information kann auch ein Täter rasch zum Opfer werden.

Eine Lehrerin aus der Unterstufe erzählte mir, dass in jeder Jahrgangsstufe gebashed wird. Schon in der Unterstufe beginnt es mit Ausgrenzungen, es folgen Beleidigungen, und der Konflikt eskaliert schließlich im Unterricht. Probleme im Klassenchat wirken sich unmittelbar auf das analoge Miteinander aus, meinte die Lehrerin. Die Lehrkräfte könnten dann aber nur noch schwer eingreifen, weil sich die Konflikte durch die digitale Kommunikation aus der Schule weg verlagern.

Wie reagiert man auf Mobbing im Klassenchat? Nichts tun!? Weil es ja nicht böse gemeint war; weil es mich ja überhaupt nichts angeht; weil es nur ein Missverständnis war; und vielleicht sogar ganz lustig; oder weil andere bestimmt eingreifen werden, die sich besser durchsetzen können? Es gibt viele Ausreden, aber jeder muss wissen: Alle sind Teil des Problems. Denn Mobbing – egal in welcher Form – lebt auch von Mitläufer*innen, die weder eingreifen noch Hilfe holen.

Niemand sollte sich scheuen nach Hilfe zu suchen

Jeder kann etwas tun, es gibt verschiedene Möglichkeiten. Um Eskalationen vorzubeugen, kann man Regelungen für den Klassenchat aufzustellen. Entweder man macht sie untereinander aus oder auch in sogenannten Klassenchattrainings in der Schule. Missverständnisse unter Klassenkamerad*innen aufklären oder Schüler*innen darauf hinweisen, dass sie mit ihren Äußerungen Grenzen überschritten haben, ist auch eine essenzielle Maßnahme, wenn sich ein Konflikt im Chat zusammenbraut.

Wer denkt, im Klassenchat kommt es zu Mobbing, sollte sich auch nicht scheuen, externe Hilfe zu suchen. Eltern können miteinbezogen werden; der oder die Vertrauenslehrer*in kann helfen; vielleicht ist es auch sinnvoll, ein analoges Gespräch zwischen Tätern, Opfern und Vermittler*innen zu organisieren, um zusammen über die Probleme zu reden und sie womöglich zu klären. Außerdem gibt es Hotlines und Internetseiten, die zum Thema Cybermobbing Hilfe bereitstellen. In erster Linie aber ist wichtig: Nicht wegsehen und nicht still sein!

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Diesen Text könnt Ihr – neben vielen anderen zu ebenso spannenden Themen – auch lesen in der Print-Ausgabe der q.rage 21/22, des Schüler*innen-Magazins von Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage. Bestellen oder kostenfrei herunterladen könnt Ihr diese und ältere Ausgaben der q.rage hier.

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