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Illustration: picture alliance / dieKLEINERT | Guido Kuehn

Sternchen? Oder kein Sternchen?

Für die einen ist es ein Schritt zur Geschlechtergerechtigkeit, für andere bloß eine unnötige Verhunzung der Sprache: Das Gendern löst heftige Debatten aus

Johanna (17)

Sprache ist unser wichtigstes Kommunikationsmittel. Weil Sprache ständig gebraucht wird, verändert und entwickelt sie sich – genauso wie die Menschen, die sie täglich verwenden. Neue Lebensformen, globale Einflüsse, aber auch Entdeckungen und Erfindungen tragen bei zu einer stetigen Fortentwicklung der Sprache.

Die Wandlungen, die eine lebendige Sprache durchläuft, werden immer wieder kritisch diskutiert. Schon vor Hunderten von Jahren wurde eine Verarmung der Sprache beklagt, 1852 befürchtete der Philosoph Arthur Schopenhauer eine „methodisch betriebene Verhunzung“. Aber selten schlugen die Wellen der Empörung so hoch wie in den letzten Jahren, wenn es um das geschlechtergerechte Gendern geht. Mittlerweile instrumentalisieren sogar Parteien das Gendern in der politischen Diskussion.

Überall wird das Gendern kontrovers diskutiert

Ob im Radio, im Fernsehen oder in den sozialen Medien, in Talkrunden und im Deutschen Bundestag – überall wird das Gendern kontrovers diskutiert. Egal, was man selbst vom Gendern hält, eins steht fest: Diese sprachliche Entwicklung wird gesellschaftlich ambivalent betrachtet.

Gendern ist das Verwenden einer geschlechtergerechten Sprache, welche sowohl das männliche als auch das weibliche Geschlecht inkludiert. In der gegenderten Form sagt man also nicht mehr „Liebe Schüler“, sondern „Liebe Schüler*innen“. Es gibt allerdings unterschiedliche Weisen das Gendern auszudrücken. Eine davon ist das hier angewandte Gendersternchen, welches Symbol für alle diversen Geschlechtsformen ist, ein anderes ein Doppelpunkt. Auf diese Art können nicht nur Frauen und Männer, sondern auch Menschen, die sich als nicht-binär identifizieren, in der Anrede berücksichtigt werden. Denn das wichtigste Ziel des Genderns ist es, sprachliche Gleichberechtigung zu schaffen: Allen, egal welchem Geschlecht er oder sie sich zugehörig fühlt, soll es ermöglicht werden, erwähnt zu werden.

Diejenigen, die das Gendern befürworten, sind der Meinung, dass unsere Sprache, wie sie Hunderte von Jahren verwendet wurde, nicht mehr zeitgemäß sei. Die ausschließliche Benennung des männlichen Geschlechts, spiegelt laut Befürwortern nicht die Diversität unserer Gesellschaft wider. Sprache sollte nämlich nicht exklusiv, sondern inklusiv sein.

Menschen, die sich gegen das Gendern positionieren, bezweifeln das. Sie glauben, dass eine gegenderte Sprache nicht etwa für Gleichberechtigung sorgt, sondern sogar im Gegenteil noch mehr auf die Unterschiede zwischen den einzelnen Geschlechtern hinweist, indem es jede Geschlechtsidentität klar benennt.

Unumstritten ist immerhin, dass Sprache im steten Wandel begriffen ist. Niemand spricht und schreibt heute mehr wie Goethe oder Schiller. Aber gewöhnlich entwickeln sich Sprachveränderungen natürlich und werden nicht erzwungen oder verordnet. Und ein großer Teil der deutschen Bevölkerung lehnt das Gendern noch ab, das belegen Studien.

Auch Daniela Hasenhündl, die Frauenbeauftragten der Hochschule für Musik in Würzburg, die ich interviewt habe, ist der Meinung, dass gesprochene Sprache frei von Reglementierungen und eine eigene Entscheidung sein sollte. Aber in Stellenausschreibungen, Gesetzestexten und offiziellen Formularen müssten gendergerechte Formulierung gefunden werden. Sonst würde man nicht-männliche Menschen von diesen offiziellen Schreiben exkludieren.

Gendern habe auch einen psychologischen Effekt, sagt Daniela Hasenhündl. Eine Studie der Freien Universität Berlin hat ergeben, dass sich Mädchen Berufe wie Automechaniker oder Pilot eher zutrauen, wenn die Berufsbezeichnungen gegendert werden. Dies sei eines der ausschlaggebenden Argumente fürs Gendern, da sich eine höhere Diversität und Vielfalt in stereotypischen Berufen nur positiv auf den beruflichen Erfolg auswirken könne.

Gendern schafft zumindest eins: sprachliche Gleichberechtigung

Natürlich wird das Gendern alleine nicht mehr Frauen und nicht-binäre Menschen in hohe wirtschaftliche, politische oder gesellschaftliche Positionen bringen. Es wird auch keine gleiche Bezahlung aller Geschlechter bewirken oder Sexismus in der Gesellschaft grundlegend verhindern. Aber es schafft zumindest eine sprachliche Gleichberechtigung. Und sprachliche Gleichberechtigung ist eine Voraussetzung für soziale Gerechtigkeit.

Auch das Argument, dass Gendern von großen Teilen der Gesellschaft noch abgelehnt wird, kann hinterfragt werden. Denn nicht nur die großen Debatten in den Medien zeigen, dass sich etwas in der Gesellschaft verändert. Eine Umfrage, die ich selbst über meinen Instagram-Account durchgeführt habe, hat ergeben, dass 30 Prozent der Teilnehmenden das Gendern befürworten. 48 Prozent stören sich nicht am Gendern, praktizieren es aber nicht aktiv. 14 Prozent sind gegen den Gebrauch einer gendergerechten Sprache. Und 8 Prozent haben keine Angabe gemacht. Natürlich ist diese Umfrage nicht repräsentativ, aber es ist ein Stimmungsbild, dass die Bereitschaft, das Gendern zumindest zu akzeptieren, in der jungen Generation recht hoch ist.

Aber natürlich stimmt auch: Gendern verkompliziert unsere Sprache. Wer das Gendern ablehnt, argumentiert gern so: Mit unserer grammatikalischen Form des generischen Maskulinums seien alle Geschlechtsidentitäten angesprochen. Das generische Maskulinum beschreibe nämlich kein Geschlecht im sozialen Sinne, sondern nur das Genus eines Wortes. Die Debatte darum, ob wir gendern sollten oder nicht, sei also irrelevant, da das Ziel, welches das Gendern verfolge, nämlich eine geschlechtergerechte Sprache, schon erfüllt sei. Und das ohne jegliche Spracheingriffe.

Diese Diskussionen um eine geschlechtergerechtere Sprache lösen starke Emotionen aus

Allerdings: Wenn Menschen miteinander kommunizieren, nehmen sie die Positionen von Sender und Empfänger ein. Der Verfasser einer Nachricht transportiert eine Information, und der Empfänger muss diese daraufhin entschlüsseln und interpretieren. Oft passiert es, dass beim Empfänger ein anderes Signal ankommt, als vom Sender beabsichtigt ist. Somit ist es die Aufgabe des Senders, die Information so zu formulieren, dass das Gegenüber diese auch genauso versteht, um darauf dementsprechend zu antworten. Kommunikation ist also nicht das, was ich denke oder meine und auch nicht was ich sage, sondern es ist das, was beim Anderen ankommt. Um wieder zurück aufs Gendern zu kommen: Fühlt sich eine weibliche oder nicht-binäre Person nicht als Empfänger einer Nachricht, weil diese in der männlichen Form verfasst wurde, ist das ein grundlegendes Verständigungsproblem, das mit einer gender-inklusiven Sprache nicht auftreten würde. Obwohl das generische Maskulinum in der Theorie alle Geschlechterformen einschließt, wird trotzdem im täglichen Gebrauch das Bild einer männlichen Person vermittelt. Das ist das grundlegende Problem unseres aktuellen Sprachgebrauchs für Menschen, die sich für das Gendern aussprechen.

Diese Diskussionen um eine geschlechtergerechtere Sprache lösen leider nicht selten starke Emotionen aus und werden von ihnen negativ beeinflusst. Die so entstehende Unsachlichkeit führt aber nicht zu einer Lösung, sondern nur zu Engstirnigkeit und Intoleranz auf beiden Seiten. Dabei sollte doch jede und jeder von uns die Meinung und Sprachpraxis von Menschen, die eine andere Meinung haben, anerkennen und akzeptieren.

 

Eine frühere Fassung des Beitrags erschien bereits in PEERplus, der mehrfach ausgezeichneten Schülerzeitung der Courage-Schule Egbert-Gymnasium Münsterschwarzach.

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