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Foto: picture alliance / Westend61 | Zeljko Dangubic

Keine Geschichte, nur Geschichten

Unsere Autor*in kann sich nicht als Frau definieren. Nach jahrelangem Fehler-Suchen in sich selbst beginnt sie jetzt – mit nicht-binärem Selbstverständnis – wo anders zu suchen

Thalia (19)

Triggerwarnung: Der folgende Text könnte Assoziationen auslösen bei Menschen, die Erfahrungen mit sexueller Gewalt gemacht haben.

Heute nach dem Aufwachen, noch in meinem Bett, wieder einen Mann gesehen, der Feminismus ablehnt, „weil er Weiblichkeit schön findet“. Warum wird Feminismus als unweiblich wahrgenommen? Weil es ein Kampf ist? Frauen und Kinder, jaja. Feminismus ist eine Selbsterzählung. Die viel gängigeren Weiblichkeitsbilder sind unfassbar robuste, eingeübte Fremderzählungen. Er weiß gar nicht, was echte Weiblichkeit ist und interessiert sich auch nicht dafür. Ich weiß es auch nicht, aber ich interessiere mich dafür.

Da ist keine Geschichte, nur Geschichten. Auf Fotografien sind wir inszeniert festgehalten. Anfangs alle, dann nur noch wir. Wir Frauen, I guess.

Ich weiß gar nicht, wie irgendjemand, der so lang in Bildern gefesselt war, Frau sein noch ernsthaft zu seiner Identität machen kann. Ich sehe viele Menschen aktuell, die das tun, mit einem Gefühl von Selbstbestimmtheit, und ich verstehe es nicht, aber bin fasziniert. Leider sehne ich mich nicht nach aktueller Repräsentation. Zumindest nicht als Frau.

Schon als traumatisierte, nicht-binäre und neurodiverse Person. In diesen Feldern bin ich dankbar, für jede*n der Dinge anspricht, normalisiert und Kämpfe kämpft, für die ich nicht die Selbstsicherheit oder Risikobereitschaft habe.

Bloß Leerstellen, wo Jahrhunderte stehen sollten

In diesem Bereich – meines weiblichen Körpers und der Eigen- und Fremdwahrnehmung von mir als Frau – ist das Problem nicht aktuelle fehlende Sichtbarkeit von Frauen, sondern der Prozess des Umgangs mit früheren Lücken. Leerstellen, wo Jahrhunderte stehen sollten. Ich brauche alte Idole. Ich brauche Idole, die tot sind. Denn ich habe mehr Angst zu kopieren, als zu reproduzieren.

In den Geschichtsbüchern sind wir gebärend, nährend und liebend. Die Wärme im Sachtext. Wenn ich Geschichtsbücher lese, werden sie zur kreativen Übung. Aber erst jetzt. Ich habe erst mit 18 angefangen, mir Frauen in der Geschichte überhaupt vorzustellen. Ich habe ihr Fehlen gar nicht bemerkt. Ich habe ihr Fehlen gar nicht bemerkt. Ich dachte, für mich fehlt da nichts. Ich dachte, ich bin einfach keine Frau. Es hat gedauert, bis mir aufgefallen ist, dass ich gar nicht weiß, wie. Dass sich alles Weibliche nicht lebendig angefühlt hat, sondern wie Tagträumereien. Weil wir das waren.

Verweise, die nur in die Stille führen

Da sind keine Dokumente, nur Geschichten. Und kleine Hinweise, Verweise, die in Stille führen. Recherche wird anstrengend, wenn einem keine Angebote gemacht werden. Ich bin es so gewohnt, dass mir Angebote gemacht werden. Von alten weißen Männern, von denen ich als Kind ernsthaft noch dachte, irgendwann auch so zu werden. Als Teenager auch. Zumindest auf geistiger Ebene. Ich dachte, da gibt es ja wirklich keine Unterschiede. Ich habe das Fehlen weiblicher Perspektiven gar nicht bemerkt. Auf alles was ich als Welt gelernt habe. Ich habe ihr Fehlen gar nicht bemerkt.

Jetzt weiß ich davon und weiß plötzlich nicht weiter. Ich habe einen Hintergrund für das Gefühl von Vereinzelung, von dem ich nie dachte, es wäre überpersönlich. Da gibt es eine große Leere, von der ich so lang nichts wusste, und über die wir neuen, wir dokumentierten Frauen, noch nicht hinweg sind. Alle meiner Vorbilder sind Männer. Ich liebe meine Daddys, die Daddys dieser Welt. Und mir wird im aktuellen Zeitgeist erstmals etwas weniger vorgeschrieben, wie ich sie zu lieben habe. Ob sich das in mir zeigen darf. In meinem Machthunger, meiner Misogynie und meiner absichtlich tieferen Stimme. Ich werde nicht in die Rolle der bewundernden fremden Spezies gezwungen, die heiß, aber schwer verständlich ist. Ich darf am Alltagsleben teilhaben. Ich kann den Mann, mit dem ich gefüttert wurde, raushängen lassen. Ich darf selbst werden, was ich bewundert habe.

Eine längst auserzählte Geschichte, der ich nicht entkomme

Aber alles, was schon da ist, an Weiblichkeit, fühlt sich an, wie eine Rolle, die wir erst seit Kurzem im Umfang ihrer Fiktion enttarnt haben. Seit wir mitsprechen dürfen. Wir haben keine Geschichte, auf die wir zurückfallen können, nur Geschichten. Und so lang war da nicht einmal die Freiheit, selbst kreativ zu werden. Und ich kann mir natürlich die von Männern erzeugte Minderheit an berühmten Frauen zum Vorbild nehmen, aber ich glaube, das ehrt sie nicht. Jetzt wo es andere Möglichkeiten gibt. Und ich weiß, dass besondere Frauen und berühmte Außenseiterinnen mit dem Gefühl von Vereinzelung nicht helfen.

Ich glaube, für mich ist es ohnehin zu spät. Ich werde nie wieder mehr Frau als im Trauma-Bond mit anderen FLINTA*. Ich weiß, dass ich nur Daddy sage, im Versuch der Aneignung, eines viel zu tief internalisierten männlichen Lustblicks auf mich. Viel viel zu tief in mir, um noch angeeignet werden zu können. Das fühlt sich alles an wie eine längst auserzählte Geschichte, der ich nicht entkomme. Erzählt von einem Onkel, der fordert, dass man sich auf seinen Schoß setzt, wenn er Geschichten erzählt. Etwas, dem ich nie wieder entkomme.

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