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Foto: picture alliance / Robert Schlesinger

Nicht mit mir!

Der Bundespräsident schlägt eine allgemeine Dienstpflicht vor. Blöde Idee! Wir sind ja gern solidarisch, aber wir wollen uns auch nicht zwangsverpflichten lassen.

Tom (18)

Wieso schon wieder wir? Nach zwei Jahren Corona-Einschränkungen bin ich bereit für das Leben, bin bereit, es so zu gestalten, wie ich es möchte. Im nächsten Sommer habe ich mein Abitur in der Tasche, und damit auch endlich die Freiheit zu tun, was ich schon immer mal tun wollte. Das sieht unser Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier allerdings ganz anders. Wenn es nach ihm ginge, dürfte ich ab nächstem Sommer erst einmal ein Jahr meines Lebens opfern und irgendetwas machen, worauf ich gar keine Lust habe. Nicht mit mir! Ich habe es satt, dass Politiker*innen mit grauen Haaren meinen, in mein Leben eingreifen zu können. Statt über uns junge Menschen zu reden, sollte Steinmeier mit uns reden.

Steinmeiers Stil als Bundespräsident zeichnete sich bislang eher dadurch aus, eine vermittelnde und schlichtende Rolle zu aktuellen Themen einzunehmen, anstatt selbst Debatten anzustoßen. Umso überraschender kam daher sein Vorschlag eines verpflichtenden sozialen Jahres für junge Menschen. Eine Debatte, die immer mal wieder angestoßen wird, zuletzt 2019 von der damaligen CDU-Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Aber wie damals stößt der Vorschlag auch heute auf massive Kritik – und das völlig zu Recht.

Solidarität ist wichtig, aber die Klimapolitik ist wichtiger

Solidarität ist wichtig, und es ist gut, dass unser Bundespräsident uns allen vor Augen führt, wie bedeutend sie für den sozialen Zusammenhalt in unserem Land ist. Aber: Schon während der Corona-Pandemie war es meine Generation, die durch Kontaktbeschränkungen, Ausgangssperren oder Homeschooling vor besonders große Herausforderungen gestellt wurde. Maßnahmen, an die wir uns aus Gründen der Solidarität hielten, während wir uns von verschiedenen Vertreterinnen und Vertretern der Politik anhören mussten, wir wären nicht solidarisch genug. Bei der Klimakrise ist es ähnlich: Unsere Politiker*innen und ihre viel zu lasche Klimapolitik sind verantwortlich dafür, dass meine Generation um eine gute und lebenswerte Zukunft betrogen wird.

Trotzdem sind sehr viele junge Menschen in diesem Land solidarisch. Laut Familienministerium engagieren sich 42% der 14- bis 29-Jährigen ehrenamtlich. Dieses freiwillige Engagement sollte man fördern, anstatt es vorzuschreiben. Vor allem in der Altersgruppe bis 21 Jahre wird deutlich, dass sich junge Menschen ganz bewusst für soziales Engagement entscheiden, entweder während der Ausbildung oder des Studiums oder sogar als Ersatz dafür. Die Regierung gibt an, dass rund 100.000 Menschen jährlich einen Freiwilligendienst in Form eines BFD, FSJ oder FÖJ machen. Der Wille zum Engagement ist doch vorhanden, eine Pflicht dazu vollkommen überflüssig.

Jugendliche aus armen Familien können sich einen Freiwilligendienst gar nicht leisten

Statt also eine Dienstpflicht ins Spiel zu bringen, sollte sich die Politik vielleicht darum kümmern, die vorhandenen Angebote attraktiver zu gestalten. Ich habe mich in meinem Bekanntenkreis nach Erfahrungen mit Freiwilligendiensten umgehört und bekam ernüchternde Rückmeldungen. Schon die finanzielle Ausstattung macht das freiwillige Engagement nicht nur unattraktiv, sondern für viele aus weniger gut situierten Familien sogar unmöglich. Mit einem Höchstsatz von 423 Euro pro Monat kann man ohne großzügige Unterstützung der Eltern seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten. Ein Freiwilligendienst ist also im Moment ein Privileg für Kinder aus reichem Haus. Viele FSJ´ler stört außerdem, dass ihrem Engagement nicht die angemessene Wertschätzung entgegengebracht wird. „Wir arbeiten für relativ wenig Geld für die Allgemeinschaft und werden dafür oft belächelt. Wie viel Arbeit dahinter steckt, wissen viele nicht“, wird mir erzählt.

Eine Arbeit, für die auch extra ausgebildete Fachkräfte oft viel zu schlecht bezahlt werden. Stattdessen sollen junge Menschen in ein Berufsfeld gezwungen werden, das sie womöglich gar nicht interessiert. Es wäre unwürdig, wenn alte Menschen oder Kranke von Menschen gepflegt würden, die nicht mit dem Herzen bei der Sache oder für die Tätigkeit gar nicht qualifiziert sind. „Niemand möchte gepflegt oder betreut werden von Menschen, die im Zweifelsfall die Motivation dazu gar nicht mitbringen, sondern verpflichtet wurden“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes Ulrich Schneider.

Also, lieber Bundespräsident: Verbessern Sie doch erst einmal die Rahmenbedingungen! Bezahlen Sie Pfleger und Krankenschwestern vernünftig! Schaffen Sie Anerkennung für soziales Engagement! Und dann können Sie sich noch mal mit Ihrem Vorschlag einer allgemeinen Dienstpflicht bei uns melden!

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