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Protest gegen Rassismus und Diskriminierung
Foto: unsplash.com/matteopaganelli

Rassismus durch die Hintertür

Alles, was unsere Autorin Emily (18) wollte, war, eine Frage zum Umgang mit Rassismus zu stellen, doch dann lief alles schief. Ein mutiger Text über die Suche nach den richtigen Worten.

Emily (18)

Für mich persönlich ist Rassismus ein abstrakter Begriff. Rassismus steht für ein gesellschaftliches Problem, das dadurch auch meins ist. Aber keines, an dem ich Schuld trage. Ich bin ja schließlich tolerant. Rassismus finde ich scheiße, also halte ich mich fern davon. Oder?

Ich möchte von einem Erlebnis erzählen, bei dem ich mich zum erste Mal fragen musste, ob ich wirklich so unschuldig bin. Der Abend, an dem ich mich das erste Mal als Teil dieses gesellschaftlichen Problems wähnen musste. Und das war ein schreckliches Gefühl. Ich habe mich geschämt.

Es war eine Lesung mit anschließendem Dialog im English Theatre im Berliner  Bergmannkiez. Der Autor, ein Schwarzer Mann mittleren Alters berichtete aus seinen Erfahrungen. The Boundaries of Blackness.

Es ging darum, wie es für ihn ist, als Schwarzer mit einem weißen Kind und einer weißen Ehefrau zu leben und was er dabei erlebt.

Wir hatten die Lesung mit meinem Englisch–Leistungskurs besucht, auch weil unser Semester-Thema „kulturelle Vielfalt und nationale Identität“ hieß. Und es war sehr interessant.

Am Ende des Gespräches wurde das Publikum dazu eingeladen, nun auch Fragen zu stellen und das taten wir. Ebenfalls sehr interessant.

Dann fiel mir etwas ein. Ich hatte im Englischkurs einen Begriff gelernt, den ich nie zuvor gehört hatte, aber relativ schnell verstand. Und ich dachte noch: Haha, so etwas mache ich ja zum Glück nicht…

Der Terminus war „racism in disguise“. Das lässt sich mit „Rassismus durch die Hintertür“ oder „versteckter Rassismus“ übersetzen.

Also nahm ich meinen Mut zusammen und formulierte, relativ umständlich, meine Frage an Thomas Chatterton Williams. Es war aber nicht nur die Unfähigkeit, mich auf Englisch genauso gut auszudrücken, wie auf Deutsch. Das Problem war, überhaupt zu sagen, was ich eigentlich meinte.

Ich wollte wissen, wie es sich anfühlt, wenn ihm eine weiße Person offensichtlich vorauseilend extra freundlich begegnet, weil er Schwarz ist. Ob sich das auch nach Diskriminierung anfühlt? Denn genau das ist versteckter Rassismus.

Wir meinen es nicht böse, aber machen alles falsch.

Kennt ihr das, wenn ihr alten Menschen die Tür aufhaltet und betont höflich handelt, damit sie nicht den Eindruck kriegen, die Jugend von heute werde zunehmend asozialer?

Genau das passiert meiner Meinung nach, wenn man einen Schwarzen Menschen extra freundlich anlächelt. Damit die Person nicht denkt, man hätte etwas gegen sie. Und nur deswegen. Damit erzeugt man einen Unterschied. Man signalisiert: Ich sehe dich als jemand anderen. Wir sind nicht gleich.

Auch, wenn man es eigentlich aus tiefstem Herzen gut meint. Und das wollte ich versuchen zu erklären.

Doch meine Barriere war nicht die Sprache, sondern meine eigene Scham. Weil ich mich in meiner Frage selbst wiedererkannte. Ich bin eine Extra-freundlich-Lächlerin.

Und alles, was ich wirklich wollte, war, von Thomas Chatterton Williams zu hören, was das bei ihm auslöst. Ich wollte es verstehen. Ich wollte ihn nicht kränken.

Wir diskutierten eine Weile, vor allem, weil ich merkte, er verstand nicht, was ich wollte. Zuerst antwortete er mir etwas, dass ich (vielleicht auch vor Aufregung) und akustisch nicht verstand. Die Reaktion des Publikums aber zeigte mir, dass er mich gerade „gedisst“ hatte und in diesem Moment fühlte ich mich zum ersten Mal in meinem Leben als Rassistin.

Deswegen redete ich weiter, versuchte, mich zu erklären und mir wurde sogar von einer Frau neben mir, die mein Anliegen verstand, geholfen. Am Ende wurde ich auch verstanden.

Schlecht gefühlt habe ich mich trotzdem. Ich war angepisst davon, dass mir die Leute aus meinem Kurs, die „racism in disguise“ genauso gehört hatten wie ich, nicht halfen. Ich war beschämt, weil ich vor dem Publikum als Idiotin oder sogar als fremdenfeindlich oder pseudo- tolerant da stand.

Das war ein richtig mieser Moment und seitdem ärgere ich mich jedes Mal, wenn ich auch nur versteckt rassistisch denke.

Das passiert uns allen. Leider. Das ist auch, oder vor allem, den Stereotypen geschuldet, mit denen wir aufwachsen. Wichtig ist nur, dass wir sie Tag für Tag kritisch hinterfragen und damit werde ich nie aufhören. Ich hab‘ keinen Bock auf Rassismus!

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