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(c) dpa

Wie Neonazis ausgebremst werden können

Rassisten und Rechtsextremisten die Stirn bieten – das ist Ziel unseres Netzwerks. Die Q-rage!-Redaktion berichtet aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern über Beispiele, wie Neonazis ausgebremst werden können

Furkan Ki. (17), Laura (17), Pascal (17), Raphaela (17) für Q-rage!

Normalerweise ist es ruhig in Nienhagen. Mit nur 400 Einwohnern geht es im Ort idyllisch zu. Doch am 28. Juni 2014 ist alles anders. Dumpfe Klänge dröhnen vom Open-Air-Gelände des Dorfgasthauses Hopfendarre. Überall parken Autos aus ganz Deutschland und Europa. Über 1.000 Anhänger der rechten Szene sind gekommen; nicht zum ersten Mal. ‚This one’s for the Skinheads Vol. 3‘ ist bereits das vierte rechtsextreme Großevent, das seit 2007 hier in Sachsen-Anhalt stattfindet.

Pitbullfarm aus Schweden stehen auf der Bühne. Ihre Texte sind geprägt von Gewaltfantasien; sie singen von Folter, Blut und Rache. Dazu: Ordner in Honour & Pride-Shirts, auf denen eine Handgranate abgedruckt ist. Der Organisator Oliver Malina gehört zu den führenden Köpfen der mutmaßlichen Nachfolgeorganisation des verbotenen Blood and Honour-Netzwerks. Medien werden später von einem „braunen Woodstock“ sprechen. Tatsächlich treten hier typische Nazi-Bands wie Kraft durch Froide oder Kommando Skin auf, aber auch Vertreter des so genannten Grauzonenrocks. Die bezeichnen sich als unpolitisch, ziehen aber genau damit junge Leute häufig erst in die Neonaziszene hinein. Auch in Nienhagen zeigen sich Jugendliche interessiert; viele verstehen das als Rebellentum.

Kundgebung

Dagegen macht das Bürgerbündnis Nienhagen – Rechtsrockfrei mobil, das deswegen auch als ‚Botschafter der Demokratie und Toleranz‘ ausgezeichnet wurde. 2014 bot es mit einem Straßenfest – zu dem außer rund 300 Anwohnern auch Gewerkschafts-, Partei- und Kirchenvertreter kamen – öffentlich Paroli. Außerdem versammelten sich Bürger zu einer Kundgebung an einer Kreuzung auf dem Weg zum Konzertgelände.

Felix (19) aus Halberstadt bei Nienhagen ist einer der Schüler, der sich engagiert. Er wünscht sich, dass viel mehr passiert: „Ziel muss sein, dass solche Konzerte durch zivilgesellschaftliches Engagement nicht mehr stattfinden können.“ Er weist darauf hin, dass die Konzerte nicht nur den Zusammenhalt der Neonazis stärkten. Die Szene werde durch die Einnahmen auch wirtschaftlich gestärkt – mit Unterstützung der Leute vor Ort, von denen nicht wenige ihre Zimmer an Neonazis vermieten. Felix sagt: „Der Protest muss wachsen.“

Nachhaltiges Engagement

Auch in Hoyerswerda kann man beobachten, wie lange es dauert, nachhaltiges Engagement auf die Beine zu stellen. Vor bald einem Vierteljahrhundert spielten sich hier, im Osten Sachsens, dramatische Szenen ab. Ausländerfeinde warfen Steine und Molotow-Cocktails auf ein Wohnheim, in dem Flüchtlinge und ehemalige Vertragsarbeiter der DDR lebten. Nach fünf Tagen hatten sie ihr Ziel erreicht: Hoyerswerda war „ausländerfrei“. Noch heute gibt es einen harten Kern Rechtsextremisten, der immer wieder versucht, durch Slogans wie „Nein zum Heim“ auf Facebook und anderswo auf sich aufmerksam zu machen.

 

Rechtsextremismus

Rechtsextremismus ist ein Syndrom, das sich aus mehreren menschenfeindlichen Ideologien – wie Antisemitismus, Rassismus, Nationalismus – zusammensetzt.

Nach Schätzung des Bundesverfassungsschutzes gehören in Deutschland rund 21.700 Menschen dem  organisierten rechtsextremen Spektrum an. 7.000 Menschen sind Mitglieder einer rechtsextremen Partei; 2.500 gehören einer rechtsextremen Organisation an. 9.600 gelten als gewalttätig.

Als Neonazis werden innerhalb des Rechtsextremismus Menschen charakterisiert, die auf die Errichtung eines totalitären Führerstaats nach dem Vorbild des „Dritten Reichs“ ausgerichtet sind. 5.800 Menschen in Deutschland gelten als Neonazis.

Rechtsextreme Musik spielt bei der Rekrutierung von Nachwuchs eine große Rolle. Darüber, wie viele Konzerte es gibt, gibt es keine gesicherten Erkenntnisse: Das Bundesinnenministerium zählte 2013 insgesamt 78 rechtsextreme Konzerte in Deutschland. Die Dunkelziffer dürfte aber hoch sein. Mehrere Antifa-Netzwerke schätzen, dass alleine in ihrem Bundesland mehr als 30 Konzerte stattgefunden haben.

Immerhin bläst ihnen seit 2006 Gegenwind ins Gesicht: Als Rechtsextreme unter dem Motto „15 Jahre Hoyerswerda ausländerfrei“ durch die Straßen marschierten, reichte es einer Gruppe engagierter Menschen und Initiativen. Sie gründeten die ‚Initiative Zivilcourage Hoyerswerda‘. Einer von denen, die von Anfang an dabei sind, ist Jörg Michel, ein evangelischer Pfarrer. „Ich wollte, dass Hoyerswerda aus seiner Vergangenheit Lehren zieht“, erklärt er. Seither ist aus Sicht des Görlitzers, der seit 1993 in Hoyerswerda lebt, viel passiert. „Immer mehr Menschen setzen sich für ein weltoffenes Hoyerswerda ein“, sagt er.

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